Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

566 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
die Verwendung der bewaffneten Macht des Reiches zu, wenn den 
Zwangsmitteln der Civilbehörden die Macht der Durchführung der 
Landesgesetze gebricht. 
Eine besondere Kompetenz des Reiches hat die Verfassung 
nur in dem einen Falle begründet, in welchem die gesicherte Wirk- 
samkeit der Einzelstaaten durch Verfassungsstreitigkeiten ge- 
hemmt wird. Nur er bedarf einer gesonderten Betrachtung. 
- Allerdings selbst in diesem Fall bedarf es unter bestimmten Vor- 
aussetzungen einer besonderen Kompetenz nicht, ja diese ist in ihrer 
besonderen Regelung unanwendbar. 
Zunächst kann ein Verfassungsstreit innerhalb eines Einzelstaates 
auch unmittelbar die Bundespflichten desselben gegen das Reich be- 
treffen, sei es, dafs es sich um die Gültigkeit eines partikularen Ver- 
fassungssatzes im behaupteten Widerspruch mit der Reichsgesetz- 
gebung handelt, sei es, dafs das Ob und Wie der Erfüllung einzelner 
Bundespflichten, z. B. bei verweigerten Budgetbewilligungen oder bei 
verweigerter Zustimmung zu partikularen Ausführungsgesetzen, in 
Frage steht. 
Sodann kann der partikulare Verfassungsstreit den Organismus 
des Reiches selbst ergreifen; so wenn aus dem Streit um Thronfolge 
oder Regentschaft, um Teilung oder Vereinigung von Einzelstaaten 
die Frage nach der Legitimation zur Stimmführung oder nach dem 
Stimmgewicht im Bundesrate oder die Frage nach der Anerkennung 
des neugestalteten Einzelstaates als Mitgliedes des Reiches erwächst. 
In allen solchen Fällen ist das Reich zweifellos kraft seiner 
Autorität zu einem Einschreiten berechtigt und verpflichtet. Die Lage 
des einzelnen Falles entscheidet, ob sich das stützt auf sein Recht, 
über die Mitgliedschaft am Reiche oder über die Stimmführung im 
'Bundesrate zu befinden, oder auf sein Recht zur Exekution behufs 
Erzwingung verfassungsmälsiger Pflichten. Von der Lage des einzelnen 
Falles hängt es nicht minder ab, ob die Entscheidung im Wege der 
Beschlulsfassung des Bundesrates oder in Form des Gesetzes erfolgen 
muls. Jedenfalls aber ist es gewils, dafs die kraft seiner verfassungs- 
mälsigen Kompetenz getroffene Entscheidung auch für den inneren 
Verfassungsstreit malsgebend ist. Denn hier überall handelt es sich 
um die Behauptung und Wahrnehmung verfassungsmäfsiger und darum 
jedem partikularen Recht und Rechtsentscheid vorgehender Rechte 
des Reiches, für welche die Verquiekung mit einem Verfassungsstreit 
des Einzelstaates nur ein Incidentpunkt ist®. 
3 Unter diesem Gesichtspunkt ist das braunschweigische Gesetz vom 16. Fe- 
bruar 1879 $ 4 zu betrachten.
	        
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