Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

576 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
Rechtsstreites entsprechend, im Wege eines gesicherten Prozefsganges 
und durch eine fest geordnete Instanz herbeizuführen. Eine solche 
gesetzliche Regelung ist erforderlich für den Prozelseang, wenn es 
sich darum handelt, die Vorschriften des Verfahrens mit rechtsver- 
wirkenden Folgen für die Parteien auszustatten oder weitere Rechts- 
mittel in einer Wiederaufnahme des Verfahrens zu gewähren oder 
Modifikationen des regelmälsigen Abstimmungsmodus bei den prozels- 
leitenden oder entscheidenden Beschlüssen des Bundesrates, insbesondere 
durch Ausschlufs der beteiligten Einzelstaaten, herbeizuführen. Sie ist 
erforderlich und zulässig, wenn eine Instanz geschaffen werden soll, 
deren Zusammensetzung und Funktion unabhängig ist von den je- 
weiligen, auf politischen Instruktionen beruhenden Beschlüssen des 
Bundesrates, mag dieselbe im übrigen von Fall zu Fall nach der 
Weise eines Austrägalgerichtes gebildet oder zu einem dauernden, im 
Namen und kraft Auftrages des Bundesrates rechtsprechenden Gerichts- 
hof erhoben werden‘. 
IV. Von der Regel der eigenen und unmittelbaren Erledigung 
der Staatenstreitigkeiten durch das Reich werden durch die Bestim- 
mungen der Verfassung zwei Ausnahmen begründet. 
1. Zunächst geschieht dies für Streitigkeiten „privatrecht- 
licher Natur“, welche „von den kompetenten Gerichts- 
behörden zu entscheiden sind“ Es genügt nicht, dafs nach 
dem Partikularrecht des zu verklagenden Staates der erhobene An- 
spruch seiner Natur nach privatrechtlich sei, sondern es müssen auch 
in Gegensatz zu den Verwaltungsbehörden, einschliefslich der Ver- 
waltungsgerichte, die Gerichte d. h. die ordentlichen oder -die reichs- 
gesetzlich zugelassenen besonderen Gerichte zur Entscheidung kompetent 
sein. Unter dieser, aber auch nur unter dieser doppelten Voraus- 
setzung ist der klägerische Einzelstaat verfassungsmäfsig verpflichtet, 
sich der Gerichtsbarkeit des anderen Einzelstaates zu unterwerfen. 
Eine eigene Entscheidung des Reiches kann hier nur insofern und 
insoweit Platz greifen, als diese Unterwerfungspflicht selbst streitig ist. 
2. Eine zweite Beschränkung der Erledigung durch das Reich 
selbst muls im Sinne der Verfassung durch das Recht der Kompro- 
misse angenommen werden. Dasselbe kann ohne ein ausdrückliches 
Verbot der Verfassung den Einzelstaaten nicht abgesprochen werden. 
Ein ad hoc abgeschlossenes Kompromifs hebt das „Anrufen eines 
Teiles“, das ausdrückliche Erfordernis der Erledigung durch das Reich, 
ohne weiteres auf. Aber auch darüber hinaus ist die Geltung des 
+ Vgl. die hessische und hansestädtische Erklärung zum Schlufsprotokoll 
vom 7. Februar 1867. Reichsverfassungen von 1849 $ 126 bezw. 124 lit. c.
	        
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