Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 5. Die deutschen Verfassungsverträge. 47 
endeten Thatsachen an Österreich notifiziert und als solche von die- 
sem anerkannt wurden’. 
Es war der siegreiche Krieg gegen Frankreich, der für die einen 
den ersehnten Anlafs, für die andern die politische Notwendigkeit er- 
zeugte, um „von dem Boden der völkerrechtlichen Verträge, welche 
bisher die süddeutschen Staaten mit dem norddeutschen Bunde 
verbanden, ab zu einem Verfassungsbündnisse überzugehn“®. Es ist 
dies geschehen durch die Novemberverträge desJahres 1870. 
I. Die äufsere Gestaltung dieser Verträge gliedert sich 
nach drei Hauptgruppen. 
1. Der Vertrag zwischen dem norddeutschen Bunde 
einerseits und den Grofsherzogtümern Baden und 
Hessen’ andererseits, verhandelt Versailles den 15. No- 
vember 1870. 
Derselbe zerfällt in zwei Teile. 
Die „Verfassung desdeutschen Bundes“, welche der Ver- 
handlung angelegt ist. Sie ist die Verfassung des norddeutschen Bun- 
des mit einer dreifachen Reihe von Modifikationen, nämlich teils 
mit den durch den Zutritt zweier Staaten notwendig gebotenen Ände- 
rungen — die Erweiterung des Bundesgebietes, die vermehrte Anzahl 
der Bundesrats-, Ausschuls- und Reichstagsmitglieder —, teils mit 
Zubilligung von Sonderrechten an Baden — die Bier- und Brannt- 
weinsteuerexemtion und die dadurch bedingten Formen der Beschlufs- 
fassung, — teils aber auch mit den selbständigen Abweichungen, für 
welche der Zutritt der süddeutschen Staaten nur der politische Anlals 
war — die Erweiterung der Kompetenz auf die Presse und das Ver- 
einswesen, die Beschränkung des Kriegserklärungsrechtes des Präsidiums, 
die andere Fassung des Exekutionsartikels, die Verallgemeinerung des 
bisherigen Artikel 37, die erschwertere Form der Verfassungsänderung. 
5 Preufsische und österreichische Depesche vom 14. und 26. Dezember 
1870 (Staatsarchiv XX No. 4220 u. 4221). Zweifellos war der österreichische 
Reichskanzler in seinem Rechte, als er es ablehnte, auf die preulsische De- 
pesche hin in eine Erörterung über die Kongruenz der Novemberverträge mit 
den Bestimmungen des Prager Friedens einzutreten, sondern sich begnügte, 
„in der Einigung Deutschlands unter Preufsens Führung einen Akt von 
historischer Bedeutung, eine Thatsache ersten Ranges in der modernen Ent- 
wicklung Europas zu erblicken und danach das Verhältnis zu beurteilen, 
welches zwischen der österreichisch- ungarischen Monarchie und der neuen 
staatlichen Schöpfung an unseren Grenzen angebahnt und befestigt werden soll“. 
6 8. die Darstellung Delbrücks über den äufseren Vorgang in der 
Sitzung des nordd. Reichstags vom 5. Dez. 1870 (Sten. Ber. S. 67 ff.). 
? Hessen selbstverständlich nur „für die südlich vom Main belegenen 
Teile des Grofsherzogtums“.
	        
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