Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

578 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
Damit ist den Einzelstaaten in ihren zwischenstaatlichen Be- 
ziehungen das gesamte völkerrechtliche Aktionenrecht, sind ihnen alle 
Mittel versagt, welche das Völkerrecht um des Mangels einer recht- 
sprechenden Instanz willen den suveränen Staaten in ihren Streitieg- 
keiten zuspricht. Dies gilt nicht nur selbstverständlich von allen 
kriegerischen Malsregeln und von allen Repressalien, es gilt auch von 
dem Rechte des einseitigen Rücktrittes von Verträgen um der Nicht- 
erfüllung von der anderen Seite willen, sowie von Retorsionen, welche 
durch den Grundsatz des Indigenates ausgeschlossen sind. 
8 97. 
Die zwischenstaatliche Rechts- und Verwaltungshülfe. 
Je enger sich die Völkergemeinschaft gestaltet, desto weniger er- 
schöpft sich das Verhältnis der Staaten in der negativen Abgrenzung 
ihrer Macht- und Rechtssphäre, in der Geltendmachung der Rechte 
und Interessen der Gesamtheit und der Staatsangehörigen des einen 
Staates gegenüber Beeinträchtigungen des andern. Sie erhebt sich zu 
einer Gemeinschaft gegenseitiger Ergänzung und Unterstützung zur 
Erfüllung der Staatsaufgaben. Dies hat sich am zeitigsten und grund- 
sätzlichsten auf dem Gebiete der Rechtspflege bewährt, um sich auf 
immer erweiterte Gebiete der Verwaltung auszudehnen. Die Pflicht 
gegenseitiger Rechts-! und Verwaltungshülfe ist zu einem anerkannten 
Bestandteil des Völkerrechtes geworden. Sie gewinnt naturgemäls in 
der engeren Staatengemeinschaft des deutschen Reiches eine gesteigerte 
Bedeutung. 
Hier, im Reiche, ist das Unterstützungsverhältnis ein doppeltes. 
Es findet zunächst statt zwischen dem Reiche und seinen 
Behörden einerseits und den Einzelstaaten und ihren Behörden 
andererseits. Die Regelung dieses Verhältnisses ist Bestandteil der 
Organisationsgewalt des Reiches. Soweit dasselbe zur Konstituierung 
% Aus allem diesen ergiebt sich, dafs die kurze Fassung der R.V.a. 76 
al. 1, abgesehen von den organisatorischen Bestimmungen über die Austrägal- 
instanz, alle diejenigen Grundsätze vollständig reproduziert, welche die deutsche 
Bundesakte a. 11 und die Wiener Schlufsakte aa. 19—24 detaillierte. Unrichtig 
insbesondere ist die Behauptung v. Rönnes, Staatsrecht d. deutschen Reiches 
I 218, als ob die Pflicht der Anrufung des Bundes in Staatenstreitigkeiten 
eine unbedingtere gewesen sei als jetzt. 
1 „Rechtshülfe“ ist hier überall nicht genommen in dem positivrechtlichen 
Sinne des Gerichtsverfassungsgesetzes tit. 13, als Rechtshülfe von Gericht zu 
Gericht oder von Staatsanwaltschaft zu Staatsanwaltschaft, sondern im Sinne 
jeder Hülfe im Interesse der Rechtspflege.
	        
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