Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 98. Das Indigenat. 593 
widersinnig. Denn gerade das konstituiert den Unterschied zwischen 
dem Einheimischen und jedem Fremden, Ausländer wie Landesfremden, 
dafs für den ersten seine Staatsangehörigkeit an Voraussetzungen an- 
geknüpft ist, welche bei dem letzteren gar nicht zutreffen können oder, 
anders gewendet, dafs die Landesfremden nur unter anderen Vor- 
aussetzungen als die Einheimischen zur Staatsangehörigkeit zugelassen 
werden. 
Nicht minder unhaltbar ist eine andere Auffassung. Nach ihr 
besitzt die Klausel nur die Bedeutung, dafs der stattgehabte Er- 
werb der Staatsangehörigkeit durch einen Landesfremden in Rücksicht 
auf die staatsbürgerlichen Rechte die volle Wirkung der Staats- 
angehörigkeit der Einheimischen haben müsse. Insbesondere sollen 
also diejenigen besonderen Bedingungen, z. B. das Verstreichen 
eines längeren Zeitraumes wegfallen, welche für die Ausübung staats- 
bürgerlicher Rechte durch Naturalisierte vorgeschrieben sind!‘. Allein 
R.V. a. 3 spricht schlechterdings nicht von Rechten, welche seit und 
durch den Erwerb der Staatsangehörigkeit auf Grund der Über- 
wanderung gewährt werden, sondern im genauen Gegenteile nur von 
denjenigen Rechten, die sich an die Landesfremdheit, an die That- 
sache des Nichterwerbes der Staatsangehörigkeit knüpfen sollen. 
Hiernach hat die Klausel „Erlangung des Staatsbürgerrechtes“ 
nur den Sinn, der ihr ausdrücklich bei der Beratung der norddeut- 
schen Verfassung im Namen der verbündeten Regierungen beigelegt 
worden ist!?: die Gleichbedeutung mit „Erwerb der staatsbürgerlichen 
1 Landgraf, in Hirths Annalen 1870 S. 638; Pözl, Bayer. Verfassungs- 
recht $ 25, insbesondere Note 6. 
1? Erklärung des Bundeskommissars Hofmann im konstituierenden 
Reichstag — Sten. Ber. S. 244 —: „Die Aufnahme dieser Worte (Erlangung 
des Staatsbürgerrechtes) beruht auf der Erwägung, dafs es der Natur der Sache 
nach einen Unterschied giebt zwischen Staatsangehörigkeit, welche jedem 
Untertbanen, also auch z. B. Minderjährigen, Frauen u. s. w. zukommt, und 
zwischen Staatsbürgerrecht, d. h. der Fähigkeit zur vollen Ausübung aller 
staatsbürgerlichen Rechte, namentlich auch des aktiven und passiven Wahl- 
rechtes. Es sind in einer Reihe deutscher Verfassungen für diese Fähigkeit 
zur Ausübung aller politischen Rechte, für das Staatsbürgerrecht im 
engeren Sinne, besondere Voraussetzungen auch den Inländern gegenüber 
gegeben und es war deshalb nur konsequent, wenn man in den Art. 3 auch 
die Erlangung des Staatsbürgerrechtes in der Weise aufnahm, dafs der An- 
gehörige eines deutschen Bundesstaates in jedem anderen Bundesstaat zur 
Erlangung des Staatsbürgerrechtes unter denselben Voraussetzungen wie der 
Einheimische und unter Übernahme derselben Verpflichtungen, wie sie z. B. 
in Beziehung auf Besteuerung und in Beziehung auf Militärpflicht für den 
Binding, Handbuch. V. 1: Hänel, Staatsrecht. I. 38
	        
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