994 I. Buch. Die Reichsgewalt.
Rechte“. Vorausgesetzt, dafs nicht die partikulargesetzlich zur Voraus-
setzung gemachte Aufnahme in den lokalen Gemeindeverband
eine Ausnahme bewirkt, ist kraft des Indigenates der Landesfremde
unter den nämlichen Voraussetzungen, wie der Einheimische, auch zur
Ausübung aller staatsbürgerlichen Rechte berechtigt, mögen sie das
aktive oder passive Wahlrecht oder jede sonstige Teilnahme an den
Funktionen des Staates oder der Selbstverwaltungskörper betreffen '®.
Und gerade dies ist der Punkt, der das Indigenat nicht nur formell,
nicht nur in Rücksicht auf seine Gewährung und Verbürgung durch
eine den Einzelstaaten übergeordnete staatliche Potenz, sondern auch
in Rücksicht auf seinen inneren Gehalt weit hinaushebt über das,
was die völkerrechtliche und vertragsmäfsige Gemeinschaft unab-
hängiger Staaten wechselseitig ihren Angehörigen gewähren und ver-
bürgen kann.
Staatsangehörigen bestehen, zugelassen werden soll“. Die hierdurch bezeugte
Auffassung für die norddeutsche Verfassung ist auch für die deutsche Ver-
fassung durch das bayerische Schlufsprotokoll unter II. nicht geändert worden.
Allerdings erläutert dasselbe, dafs „die Gesetzgebungsbefugnis des
Reiches über Staatsbürgerrecht“, welche R.V. a. 4 anordnet, sich nur auf die
Regelung der Bundes- und Staatsangehörigkeit und auf die Durchführung des
Grundsatzes der politischen Gleichberechtigung der Konfessionen beziehen soll.
Allein der Grundsatz des Indigenates beläfst es auch bei der Kompetenz des
Partikularrechtes, die „Voraussetzungen, unter welchen jemand zur Ausübung
politischer Rechte in einem einzelnen Staate befugt sei“, festzustellen; er
enthält lediglich das Verbot, diese Voraussetzungen für Landesfremde anders
zu bestimmen, als für die eigenen Landesangehörigen. Nähme man an, dafs
die Erläuterung des bayerischen Schlufsprotokolles gegen den Wortlaut des-
selben sich nicht nur auf die Reichsgesetzgebung über Staatsbürgerrecht in
R.V. a. 4, sondern auch auf die Erlangung des Staatsbürgerrechtes nach Mals-
gabe des Partikularrechtes in R.V. a. 3 bezöge, so wäre das gleichbedeutend
mit einer vollen Beseitigung des Grundsatzes des Indigenates bezüglich der
staatsbürgerlichen Rechte trotz der ausdrücklichen Beziehung dieses 3. Ar-
tikels auf dieselben — eine Annahme, die durch nichts gerechtfertigt ist. —
Übereinstimmend Brückner, Das gemeinsame Indigenat, 1867, S. 15 ff. 21;
Meyer, Staatsrecht $ 99, Note 21.
18 Die mecklenburgische Verordnung vom 28.:Dezember 1872 85 (Böhlau
in Hildebrand und Conrad, Jahrbücher für Nationalökonomie, Bd. 19 S. 350):
„Auch sind bis dahin (Aufnahme in den Staatsverband) Landesfremde, welche
ein ritterschaftliches Gut erwerben, von allen dem öffentlichen Rechte ange-
hörigen Befugnissen eines mecklenburgischen Gutsbesitzers, namentlich von
der Ausübung obrigkeitlicher, polizeilicher oder gerichtsherrlicher Rechte aus-
geschlossen —“ ist nichtig.