Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

Die Staatenpflege des Reiches und die Rechtsstellung der Einzelstaaten. 595 
II. Kapitel. 
Die Staatenpflege des Reiches und die Rechtsstellung der 
Einzelstaaten. 
8 99. 
Die Kompetenzen des Reiches, welche unter der Staatenpflege 
zusammengefalst sind, weisen die nämlichen Unterschiede auf, wie 
seine anderweitigen Kompetenzen. 
Sie erschöpfen sich zu einem Teile — abgesehen von der be- 
gleitenden Beaufsichtigung — in gesetzgeberischen Regelungen: so bei 
dem strafgesetzlichen Schutz der Einzelstaaten, bei den Regelungen 
der Rechts- und Verwaltungshülfe, bei dem Verfassungsgrundsatz des 
Indigenates. Zu einem anderen Teile fallen sie der unmittelbaren 
und eigenen Verwaltung des Reiches anheim; so bei der Verwendung 
der völkerrechtlichen Befugnisse des Reiches oder der Handhabung 
des Kriegszustandes im Interesse der Einzelstaaten, so bei der Er- 
ledigung von Verfassungs- und zwischenstaatlichen Streitigkeiten. 
I. Allein trotz dieser formellen Übereinstimmung ist die Staatenpflege 
durch ihren Inhalt eine eigentümlich gewandte Kompetenz des Reiches. 
Sie ist dies zunächst ihrem Gegenstande nach. Die Befug- 
nisse des Reiches richten sich auf das rechtliche Dasein und das ge- 
ordnete Zusammensein der Einzelstaaten. Damit ist die Staaten- 
pflege eine ausschliefsliche Kompetenz des Reiches in dem be- 
sonderen und verstärkten Sinne, dals die Einzelstaaten einen gleich- 
artigen Verwaltungszweig gar nicht haben können. Denn es handelt 
sich hier überall um die Regelung von Verhältnissen, welche aufser- 
halb der Macht- und Rechtssphäre des vereinzelten Staates liegen und 
darum unter unabhängigen Staaten nur durch völkerrechtliche Rechts- 
geschäfte und Rechtsmittel geordnet und geschlichtet werden können. 
Eine Analogie im Innern des Einzelstaates bietet nur sein Recht, 
den ihm eingegliederten korporativen Verbänden rechtlichen Schutz 
und die Ordnung ihrer gegenseitigen Verhältnisse zu gewähren. Aber 
der wesentliche Unterschied wird bezeichnet durch den Unterschied, 
der zwischen der Natur einer öffentlichen Korporation im Einheits- 
oder Einzelstaate und der eines Einzelstaates im Reiche obwaltet. 
Eigentümlich weiterhin ist die Kompetenz, weil die Rechte des 
Reiches, obwohl sie sich auf „Staaten“ beziehen, trotzdem ihrer for- 
mellen Natur nach selber staatliche sind: seine Gesetzgebung, 
seine Vollziehung in der Rechtssprechung durch eigene Organe und 
in der Exekution durch eigene Machtmittel. Hierdurch unterscheidet 
sich die Staatenpflege von den Wirkungen aller völkerrechtlichen Ver- 
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