Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

5096 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
träge, welche praktisch dieselben Ziele verfolgen, und ebenso von den 
gleichen Erscheinungen des Staatenbundes, dem auch für diese Zwecke 
nicht staatliche Mittel, sondern nur grundvertragsmälsige Beschluls- 
rechte, nur Rechtssprechung durch „Austrägalgerichte“, d. h. durch 
einzelstaatliche, ad hoc beauftragte Gerichte, und nur Zwangsmittel durch 
Inanspruchnahme der Machtmittel der Einzelstaaten zu Gebote stehen. 
II. Durch das Wesen der Staatenpflege wird denn aber auch die 
Rechtsstellung der Einzelstaaten charakterisiert. 
Zunächst — kraft der Staatenpflege finden die Einzelstaaten 
die Grundbedingungen ihrer Daseinsbehauptung nicht in den eigenen 
Macht- und Rechtsmitteln oder in einer vertragsmälsigen Zusammen- 
setzung derselben, sondern in einer ihnen übergeordneten, in Gesetz- 
gebung und Vollziehungsmalsregeln sich bewährenden und darum 
staatsrechtlichen Potenz. Das Reich ist auch hier eine staatliche 
Schutzmacht für und über die Einzelstaaten. 
Sodann — die Grundbedingungen des friedlichen Nebeneinanders 
und des geordneten Zusammenwirkens gewinnen die Einzelstaaten 
nicht unter den Ordnungen und durch die Rechtsgeschäfte des Völker- 
rechtes, sondern wiederum kraft der gesetzgeberischen Regelungen 
und der vollziehenden Mafsregeln des Reiches. Ja selbst da, wohin 
diese Kompetenzen des Reiches nicht reichen, wo die Einzelstaaten 
berechtigt bleiben, durch freie Vereinbarungen oder in freier Selbst- 
bestimmung ihre Berührungen und Beziehungen zu regeln, ist ihnen 
die Anwendung der auf die Eigenmacht gestellten Rechtsmittel des 
Völkerrechtes schlechthin untersagt, bleiben sie den autoritativen Ent- 
scheidungen des Reiches durch dessen eigene Organe unterworfen. 
Das Reich ist hier eine das Völkerrecht ersetzende 
staatliche Ordnung für die Verhältnisse derEinzelstaaten 
untereinander. 
Endlich und mit dem allen — die Staatenpflege ergreift die 
Einzelstaaten nicht nur von einer oder von einzelnen Seiten, nicht 
nur in den abgegrenzten Beziehungen, in denen sie nachweisbaren 
Kompetenzen des Reiches unterliegen, sondern schlechthin und in ihrer 
Totalität. Ihr Gegenstand ist der Schutz für den gesamten inneren 
und äufseren Verfassungsbestand des Einzelstaates und die Aufrecht- 
erhaltung der zwischenstaatlichen Rechtsordnung in allen undjeden 
Beziehungen, die sich aus dem Zusammensein und Zusammen- 
wirken der Einzelstaaten entwickeln. Die Staatenpflege weist damit 
zu ihrem Teile die vollkommene Eingliederung und Unter- 
ordnung der Einzelstaaten, als Gesamterscheinungen, in 
und unter das Reich auf.
	        
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