Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 103. Bewegung und Niederlassung der Bevölkerung. 615 
es die irgendwie gewandte Angehörigkeit zu einer bestimmten Ge- 
meinde, welche die verschiedenen Befugnisse zu einem einheitlichen 
Institut zusammenfassen |iels. 
Und so hat die Reichsverfassung durch das Wort „Heimatsver- 
hältnisse“ die einzelnen Verhältnisse verdeutlicht, welche unter „Frei- 
zügigkeit“ und „Niederlassungsverhältnisse“ begriffen sein sollten. Sie 
hat aber auch gleichzeitig durch Parallelisierung der drei Ausdrücke 
jede verfassungsmälsige Bindung der Gesetzgebung darüber aus- 
geschlossen, ob die Ordnung dieser Verhältnisse im Sinne des Hei- 
matsrechtes oder in der Richtung der preulsischen Gesetzgebung, wie 
es thatsächlich geschehen ist, zu bewirken sei. 
1. Der Umfang der Kompetenz des Reiches ist damit bezeichnet. 
Die Reichsgesetzgebung hat denselben schon zur Zeit des norddeut- 
schen Bundes in schneller Folge zur Geltung gebracht. Durch das 
Freizügiekeitsgesetz vom 1. November 1867 hat sie nicht nur das 
Recht des Aufenthaltes und seines Wechsels, sondern auch die Be- 
dingungen der Niederlassung mittels Grundeigentumerwerbes und ge- 
werblicher Etablierung, durch das Gesetz über die Aufhebung der 
polizeilichen Beschränkungen der Befugnis zur Eheschliefsung vom 
4. Mai 1868 die Begründung eines selbständigen Familienstandes, 
durch das Gesetz über den Unterstützungswohnsitz vom 6. Juni 1870 
das Recht und die Pflicht zur Armenunterstützung geregelt. 
Aber mit diesen nächsten und grundsätzlichen Ordnungen war 
die Kompetenz des Reiches nicht erschöpft. 
Selbstverständlich unterlagen ihr auch diejenigen polizeilichen 
Ordnungsvorschriften, welche mit der örtlichen Bevölkerungsbewegung 
im Legitimations- und Meldungswesen verknüpft sind. Es hätte hier- 
für der besonderen Hervorhebung des „Palswesens“° in der Ver- 
fassung nicht bedurft und das Pafsgesetz vom 12. Oktober 1867 hat 
nur einen Teil dieser Vorschriften getroffen. 
Selbstverständlich ferner war die Reichsgesetzgebung berufen, 
solche Hindernisse zu beseitigen, welche der vollen Verwirklichung 
der Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit aus den sich kreuzenden 
Finanzhoheiten der Einzelstaaten entstehen konnten, wie dies durch 
das Gesetz über die Doppelbesteuerung vom 13. Mai 1870 ge- 
schehen ist‘. Und dahin gehört auch die Bestimmung des Zollvereins- 
® Das Wort „Pafswesen“ ist in die Verfassung eingeschoben durch ein 
Amendement des konstituierenden Reichstages. 
6 8. die Petitionsberichte, Verh. des Reichstages 1867, Anl. No. 109; 
1868, Anl. No. 89 E; 1869, No. 107 A. und Motive zum Gesetzentwurf 1870, 
Anl. No. 103.
	        
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