$ 105. Die Land- und Wasserstrafsen. 623
Unterhaltung und die sonstige vollziehende Verwaltung verbleibt auch
hinsichtlich der auf Grund eines Reichsgesetzes hergestellten Land-
strafsen den Einzelstaaten vorbehalten. Allerdings wird das Reich in
analoger Weise, wie bei einer Eisenbahnkonzession, das Recht haben,
die Verhältnisse der Konstruktion, der Unterhaltung und der Be-
nutzung festzustellen, allerdings wird es eintretenden Falles um des
Grundsatzes der finanziellen Gleichbelastung der Einzelstaaten willen
verpflichtet sein, die Kosten der Herstellung und Unterhaltung aus
eigenen Mitteln zu decken, aber Rechte der eigenen und unmittel-
baren Verwaltung erwachsen ihm auch damit auf Grund des bestehenden
Verfassungsrechtes nicht ®.
2. Zu diesem ersten Punkte treten die besonderen Bestim-
mungen über das Abgabenwesen, die art. 22 des Zoll-
vereinsvertrages vom 8. Juli 1867 enthält.
In demselben ist der Grundsatz aufgestellt, dals auf Chausseen
schlechthin und auf solchen unchaussierten Land- und Heerstralsen,
welche die unmittelbare Verbindung zwischen den aneinander grenzen-
den Einzelstaaten bilden und auf denen ein grölserer Handels- und Reise-
verkehr stattfindet, Chausseegelder oder andere statt derselben bestehende
Abgaben, ebenso Pflaster-, Damm-, Brücken- und Fährgelder oder anders
benannte gleichartige Abgaben nur in dem Betrage erhoben werden
können, als sie den gewöhnlichen Herstellungs- und Unterhaltungs-
kosten angemessen sind. Als Malsstab hierfür ist regelmäfsig, nur mit
Ausnahme der von Korporationen oder Privaten oder auf Aktien an-
gelegten Chausseen von lokaler Bedeutung, der preulsische Chaussee-
geldtarif vom Jahre 1828 angeordnet, welcher als höchster Satz nicht
überschritten werden darf.
An sich stellt die Aufstellung dieses Grundsatzes keine Er-
3 Die Unionsverfassung von 1849 $ 32 sprach dies deutlich aus: „Der
Reichsgewalt steht das Recht zu, zum Schutze des Reichs oder im Interesse
des allgemeinen deutschen Verkehres zu verfügen, dafs aus Reichsmitteln
Landstrafsen und Kanäle angelegt, Flüsse schiffbar gemacht oder in ihrer
Schiffbarkeit erweitert werden. Die Anordnung der dazu erforderlichen
wasserbaulichen Werke erfolgt nach vorgängiger Verständigung mit den be-
teiligten einzelnen Staaten. Diesen bleibt die Ausführung und auf Reichs-
kosten die Unterhaltung der neuen Anlage überlassen.“ Der letzte Satz sollte
an Stelle der entgegengesetzten Bestimmung der R.V. von 1849 treten: „Die
Ausführung und Unterhaltung der neuen Anlagen geschieht von Reichswegen
und auf Reichskosten, wenn eine Verständigung mit den Einzelstaaten nicht
erzielt wird.“ Eines gleichen Satzes hätte es für die heutige R.V. nach dem
Eingang des a. 4 bedurft, wenn Ausführung und Unterhaltung den Einzel-
staaten entzogen werden sollte.