638 II. Buch. Die Reichsgewalt.
Ein solches Widerspruchsrecht kann auch in den künftig zu er-
teilenden Konzessionen nicht weiter verliehen werden.“
Hier überall kann die Annahme durch nichts gerechtfertigt wer-
den, dafs die allgemeine Kompetenz des Reiches, seine Beaufsichtigung
und Gesetzgebung ihrem Inhalte nach beschränkt werden sollte auf
die besondern Gegenstände, welche der VII. Abschnitt der R.V. ber-
vorhebt!!. Vielmehr geht die Absicht ausschliefslich dahin, durch die
besonderen Bestimmungen, insofern und insoweit sie nur Vorgriffe auf
die Gesetzgebung enthalten, einen Teil des Eisenbahnrechts sofort mit
dem Erlals der Verfassung in Wirksamkeit treten zu lassen.
2. Aber allerdings der VII. Abschnitt der R.V. bietet eine andere
Seite von grölserer Tragweite. Seine Bestimmungen erweitern die
gemeingültigen Kompetenzen des Reiches; sie geben demselben Rechte,
die über die Beaufsichtigung und Gesetzgebung hinausliegen. Das
Reich wird zu einzelnen Akten der vollziehenden Gewalt, ja an einem
Punkte zu einer umfassenden eigenen und unmittelbaren Verwaltung
befugt. Und allerdings diese Erweiterungen der Reichskompetenz bilden
zugleich verfassungsmälsige Begrenzungen; über sie hinaus kann die
Gesetzgebung des Reiches Beschränkungen der Eisenbahnverwaltung
der Einzelstaaten nur in den Formen der Verfassungsänderung ein-
treten lassen !?.
2. Abschnitt VI der Reichsverfassung.
& 108.
Die historische Grundlage.
Die Feststellung des Inhaltes und der Grenzen der erweiterten
Reichskompetenz, wie sie Abschnitt VII der R.V. begründet, bietet
ungewöhnliche Schwierigkeiten. Sie sind nicht blofs durch die ver-
schwimmende Fassung des Verfassungstextes verursacht, sondern vor
allen Dingen durch die historische Entwickelung des Eisenbahnwesens
in Deutschland.
I. Die Gründung des norddeutschen Bundes und noch des deut-
schen Reiches traf hier auf eine überaus verwickelte Sachlage. Das
Verständnis der Verfassungsbestimmungen ist überall bedingt durch
11 So Thudichum, Verfassungsrecht des nordd. Bundes S. 239 No. 12.
Dagegen richtig Seydel, Kommentar $. 69 ff.; v. Rönne, Staatsrecht d. d.
-R. IIı 316. 317; Laband, Staatsrecht d. d. R. II 113 Note 1.
12 Unrichtig G. Meyer, Deutsches Verwaltungsrecht I 437: „Das Reich
ist berechtigt, sich neben den ihm jetzt zustehenden Verwaltungsbefugnissen
weitere im Wege der einfachen Gesetzgebung beizulegen.“