656 II. Buch. Die Reichsgewalt.
auf dem Boden und innerhalb der Grenzen dieses Rechtszustandes
bewegen.
Allein auf der anderen Seite ist die Auffassung unzulässig, dals
die Hinwirkung des Reiches auf baldigste Einführung übereinstimmender
Betriebsreglements, auf Erzielung möglichster Gleichmäfsigkeit und
Herabsetzung der Tarife nur die Bedeutung einer Aufstellung legis-
latorischer Gesichtspunkte habe, welche dem Reiche bis auf weiteres
nur die Rolle eines unmafsgeblichen Ratgebers und Vermittlers übrig
lälst. Vielmehr entspricht der Thatsache der Aufnahme dieser Be-
stimmungen in die specialisierenden Bestimmungen der Verfassung
nur eine Deutung, welche dem Reiche unmittelbar kraft der Ver-
fassung rechtsverbindliche und damit praktisch wirksame Berechtigungen
verleiht.
Unter diesem doppelten Gesichtspunkt bestimmt sich die „Hin-
wirkung“ des Reiches negativ und positiv durch die folgenden Rechts-
sätze:
1. Das Reich hat nicht das Recht einseitiger Fest-
setzungen — weder gegenüber den Privat-, noch gegenüber den
Staatsbahnen.
Das gilt in Bezug auf das Betriebsreglement. Niemals
wird es auch den gewagtesten Interpretationen gelingen, den Wort-
laut des Verfassungstextes: „dahin wirken, dals baldigst auf allen
deutschen Eisenbahnen übereinstimmende DBetriebsreglements
(Plural!) eingeführt werden (Passivum!)“ soweit zu beugen, dafs
darin die Ermächtigung gefunden werden kann, eine Verordnung,
welche nach dem historisch bestimmten Inhalt des Betriebsreglements
eine gesetzvertretende sein und wesentliche Bestimmung eines andern
führen“. Das in Kombination mit einem Subamendement Vincke ange-
nommene, aus den Beratungen der Delegierten verschiedener Parteien hervor-
gegangene Amendement Michaelis verändert zunächst das „gleiche“ in
„übereinstimmende“ Betriebsreglements und schob in a. 45 zur genaueren
Definition der Kontrolle des Bundes und ihrer Wirkungen die Worte ein:
Derselbe wird namentlich dahin wirken: 1. dafs — übereinstimmende Be-
triebsreglements eingeführt werden; 2. dafs die möglichste Gleichmäfsig-
keit und Herabsetzung der Tarife erzielt, insbesondere dafs bei gröfseren
Entfernungen — — ein entsprechender ermäfsigter Tarif und zwar zunächst
thunlich der Einpfemnigtarif eingeführt werde. — In der Motivierung
dieses seines Antrages bezeichnete der Abg. Michaelis es insbesondere als
die Absicht, dem Bunde nicht das Recht beizulegen, ein Betriebsreglement
„aufzuerlegen“, sondern es bei dem bisherigen Modus seiner freien Vereinbarung
zu belassen, sowie ein Zwangsrecht auf Herabsetzung der Tarife auszuschliefsen.
Verhandlungen des konstituierenden Reichstages S. 504. 505. 507.