662 II. Buch. Die Reichsgewalt.
Endlich aber giebt es Mittel des geistigen Verkehres, welche
durch ein chemisches oder mechanisches Verfahren erzeugte, cirkula-
tionsfähige Vervielfältigungen eines originalen Darstellungsmittels sind.
Sie besitzen den höchsten Grad der Verbreitungsfähigkeit, die durch
jede Verbesserung und Beschleunigung des Umsatzes, der Beförderungs-
mittel und Beförderungsanstalten der wirtschaftlichen Güter verstärkt wird.
Ihrem Wesen entspricht es, dafs derjenige, der sich ihrer als geistiger
Urheber bedient oder der sie herstellt, wenn nicht aulserordentliche
Umstände hemmend einwirken, die Verbreitung an eine unbestimmte
Zahl von Personen, die „Veröffentlichung“ zur Absicht hat.
Zu diesen letzteren zählt an erster Stelle die „Presse“, d.h.
die Summe der Mittel des geistigen Verkehres, die durch ein Ab-
drucksverfahren auf Flächen hergestellt werden.
Der Staat hat allen diesen Darstellungs- und Verkehrsmitteln
gegenüber gewichtige Aufgaben, die weitaus nicht in polizeilichen und
strafrechtlichen Repressionen erschöpft sind, sondern in erster Linie
zweekentsprechende Ordnungen und selbst fördernde Malsregeln heischen.
Ist doch die Einübung in das Verständnis und in den Gebrauch der-
selben die allgemeinste Grundlage und überdies der Gegenstand mannig-
facher Specialfächer des öffentlichen Unterrichtes.
Auch die Kompetenzen des Reiches ergreifen die Mittel des
geistigen Verkehres, wenn auch regelmäfsig lediglich von einzelnen Seiten
und in anderweitigen Zusammenhängen, insbesondere vom Standpunkte
des Strafrechtes, des Privatrechtes, des geistigen Urheberrechtes, des
Gewerbebetriebes. Nur für die „Presse“ ist durch R.V. a. 4 Nr. 16
die Kompetenz des Reiches schlechthin durch den Gegenstand bestimmt
und damit auf alle Seiten desselben, die der rechtlichen Ordnung zu-
gänglich und bedürftig sind, erstreckt?. Sie trifft mithin sowohl das
‚öffentliche und private Recht des geistigen Urhebers, sich der Presse
als Darstellungsmittel überhaupt und zum Zwecke wirtschaftlicher
Verwertung seiner geistigen Produktion zu bedienen, als auch alle
diejenigen Verhältnisse, welche sich an die Herstellung und Verbreitung
der Prefserzeugnisse knüpfen.
Das Reich hat von dieser seiner Kompetenz Gebrauch gemacht
2 Die Reichs- und Unionsverfassung von 1849 verbürgten grundrechtlich
die Prefsfreiheit, aber fügten hinzu: „Ein Prefsgesetz wird vom Reiche erlassen
werden“ — $ 143 bezw. $ 141. —- Dagegen beschränken sich die Bundes-
verfassungen von Amerika — Amendement 1 — und der Schweiz — a.55 —
auf die grundrechtliche Verbürgung der Prefsfreiheit, letztere vorbehaltlich
der Strafbestimmungen über die gegen die Eidgenossenschaft und deren Be-
hörden gerichteten Prefsvergehen.