Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 115. „Die Zoll- und Handelsgesetzgebung“. 671 
Sie hat das Papiergeld, zu dessen Ausgabe Gemeinden und Privat- 
korporationen nach bisherigem Partikulargesetze befugt sind, bestimmten, 
für die Banknoten geltenden Beschränkungen unterworfen **. 
Sie hat endlich den weiteren Schritt gethan, der allerdings die 
Reichskompetenz im ursprünglichen Sinne der Verfassungsklausel 
wesentlich erweitert hat?®, die Einzelstaaten zur Einziehung alles 
partikularen Staatspapiergeldes zu verpflichten, an dessen Stelle 
Reichskassenscheine in bestimmtem Betrage zu schaffen und unter 
die Einzelstaaten in einem bestimmten Verhältnisse zu verteilen °®. 
Nur die Regelung des Banknotenwesens blieb vorbehalten. Für 
sie war eine besondere Kompetenzklausel der R.V. malsgebend. 
II. „Die Zoll- und Handelsgesetzgebung“ !. 
$ 115. 
Dem Reiche ist nach R.V. a. 4 Nr. 2° die „Handelsgesetz- 
gebung“, d.h. die Rechtsmaterie des Handelswesens?, zugeschrieben. 
Der Funktion nach beschränkt sich diese Kompetenz auf Be- 
aufsichtigung und Gesetzgebung — vorbehaltlich des normalen Ver- 
ordnungsrechtes und der besonderen Kompetenz des Reichsgerichtes. 
Dem Gegenstande nach ist sie beschränkt auf den Handel, 
als einer specifischen, nämlich nur auf die Vermittelung des 
Güterumlaufes gerichteten, wirtschaftlichen Thätigkeit, die mit dem 
Güterverkehr begrifflich nicht identisch, wenn auch praktisch-legis- 
latorisch von ihm vielfach untrennbar ist. 
Innerhalb dieser begrifflichen Grenzen aber erstreckt sich die 
Reichskompetenz auf alle Seiten des Handels, sowohl auf die privat- 
24 Bankgesetz vom 14. März 1875 88 2—6. 43. 47 Abs. 1 cl. $ 54. 88 55. 
56. 59. 
25 S. $ 116 Note 2. 
26 Gesetz, betr. die Ausgabe von Reichskassenscheinen vom 30. April 1874. 
ı v. Rönne, Staatsr. d. d. R. Ilı 184ff. G. Meyer, Lehrb. d. d. Ver- 
waltungsrechtes I 425f. Laband, Staatsr. d. d. R. II 898 ff. 
®2 Reichs- und Unionsverfassung von 1849 $ 38: „Die Reichsgewalt hat 
das Recht der Gesetzgebung über den Handel —“. 
® Auch hier — wie in der No. 13 des a. 4 — die Wendung: „Der Beauf- 
sichtigung des Reiches und der Gesetzgebung desselben unterliegen — die 
Zoll- und Handelsgesetzgebung“, was nur Sinn gewinnt, wenn man unter 
Zoll- und Handelsgesetzgebung nicht die Funktion der Gesetzgebung, 
sondern die Rechts- oder Gesetzesmaterie versteht, auf die sich die gesetz- 
geberische Funktion bezieht. In derselben Weise bezeichnet der gewöhnliche 
Sprachgebrauch mit Handelsgesetzgebung das objektive Handelsrecht.
	        
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