690 O. Buch. Die Reichsgewalt.
gesamte Gewerbewesen. Die Regelung des gewerblichen Unter-
richtswesens als Teiles der staatlichen Unterrichtsverwaltung, die An-
ordnungen der zur Förderung der Erwerbsthätigkeit im allgemeinen
dienenden Mafsregeln und Anstalten (Ausstellungen, Schauanstalten,
Sammlungen), die Gewerbebesteuerung sind nicht Gegenstand der
Gewerbeordnung, sind nicht „Bestimmungen über den Gewerbe-
betrieb“. Vielmehr befassen dieselben immer nur die Regelungen
im Gewerbewesen, welche die besondere Gestaltung der Unternehmung
zur Voraussetzung haben. Sie haben deshalb im wesentlichen einen
dreifachen Inhalt:
die Feststellung derjenigen Voraussetzungen, unter welchen
eine privatwirtschaftliche Unternehmung, ein „Gewerbebetrieb“
rechtlich begründet und fortgesetzt werden kann, die positivrecht-
liche Gestaltung der Gewerbefreiheit;
die Normierung der genossenschaftlichen Verbindungen der
Unternehmuneen für die Zwecke des Gewerbebetriebes, das
Innungswesen;
die Regelung der besonderen Verhältnisse, welche aus der
Einordnung des gesamten Hülfspersonals in den Gewerbebetrieb des
leitenden und damit verantwortlichen Unternehmers entstehen, die
gewerbliche Arbeitsordnung im weitesten Sinne.
Das ist die Bedeutung, welche in vollkommen übereinstimmender
Auffassung die Partikulargesetzgebungen vor dem Eintritt der Reichs-
verfassung der Gewerbeordnung und damit dem Öffentlichrechtlichen
Begriff des Gewerbes gegeben haben. Und es mufs, wenn nicht jede
rechtliche Präeisierung aufgegeben werden soll, hieraus geschlossen
werden, dafs die Klausel der R.V.: „die Bestimmungen über den
Gewerbebetrieb“ der Kompetenz des Reiches diesen Inhalt, aber auch
diese Begrenzung gegeben hat.
Aber allerdings innerhalb dieser allgemeinen Begrenzung hatten
werbekompetenz des Reiches, soweit sie nicht in die „@ewerbefreiheit“ ein-
greifen, d. h. soweit sie nicht zu Voraussetzungen der Begründung oder Fort-
setzung eines (ewerbebetriebes erhoben werden. Unrichtig Zorn, Reichs-
staatsrecht II 115. S. insbesondere v. Rönne, Staatsrecht d. d. R. I 139
Note 1a; Laband, Staatsrecht d. d. R. II 458 Note 2; Löning, Lehrb.
d. d. Verwaltungsrechtes S. 481.
” In der R.V. von 1849 tritt die umfassendere Bedeutung der Befugnis,
„über das Gewerbewesen Reichsgesetze zu erlassen“, in $ 39 gegenüber der
„die Bedingungen des Gewerbebetriebes“ festsetzenden „Gewerbeordnung“
in $ 133 deutlich hervor. Die Kompetenz des Reiches war hier weiter ge-
griffen, als nach heutigem Recht.