Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

718 Il. Buch. Die Reichsgewalt. 
& 126 — überträgt demselben eine Zuständigkeit, welche in den weit- 
oreifendsten Specialisierungen alle organischen Rechtsstreitigkeiten be- 
falst, die nur irgend aus dem Thatbestand der bundesstaatlichen 
Zusammenordnung eines konstitutionellen Gesamtstaates mit konstitutio- 
nellen Einzelstaaten sich entwickeln können. Diese Bestimmungen 
über das Reichsgericht sind es alsdann, die nicht nur in den Ver- 
fassungsentwurf des Dreikönigbündnisses vom 26. Mai 
1849 unverändert!° Aufnahme finden, sondern auch die Grundlage 
zur sofortigen Einsetzung eines provisorischen Schiedsgerichtes in Er- 
furt bilden!®. Denn, so sagte das preulsische Cirkularschreiben an 
sämtliche deutsche Regierungen vom 30. Mai 1849: „Wenn der Bundes- 
staat allein imstande ist, ohne Gefahr der Zerrüttung, die ihrer Natur 
nach unabhängige Staatsgewalt unter die Entscheidung des Richters 
zu stellen, so ist es auch Pflicht desselben, sich dieses Vorzuges be- 
wufst zu ‘werden und denselben geltend zu machen“. „In Deutschland 
ist das Bedürfnis eines solchen höheren Richteramtes durch die ganze 
Geschichte des Volkes tief begründet“. Und dieser Grundanschauung 
entsprechend ist die Vorlage der Verfassung in Erfurt von zwei!” 
Gesetzentwürfen begleitet, welche vor allen Dingen zuerst die verfassungs- 
mälsige Gerichtsbarkeit des Reiches zur Durchführung bringen sollen. 
Beide, der Gesetzentwurf über die Einrichtung des Reichs- 
serichtes und der Gesetzentwurf über das Verfahren vor dem 
Reichsgerichte in streitigen Rechtssachen, insbesondere auch bei Minister- 
anklagen und für die Exekution gegen die Einzelstaaten, erhielten „die 
volle und unbedingte Zustimmung“ beider Häuser des Parlamentes !?. 
Ja selbst die Entwürfe, welche es nach dem Scheitern der Reichs- 
und Unionsverfassung versuchen, auf der Grundlage der Bundesver- 
hältnisse von 1815 eine Reform der deutschen Verfassung herbei- 
zuführen, haben überall die Fortbildung der Bundesrechtspflege zu 
einem ständigen Bundesgerichte vor Augen. Schon auf den Dresdner 
Konferenzen von 1850/51 wird eine besondere Kommission „für 
15 Vollkommen unwesentliche Modifikationen nur in lit. k und m des $ 124. 
16 Statut des Bündnisses vom 26. Mai 1849 a. 5 und Statuten des provi- 
sorischen Schiedsgerichtes der verbündeten Staaten. Weil, Quellen, S. 209 
u. 219. 
17 Ein dritter Entwurf wegen Untersuchung und Bestrafung des Hoch- 
und Landesverrates gegen das Reich wurde zurückgezogen. 
18 Drucksachen des Staatenhauses No. 24, des Volkshauses No. 29. Die 
übereinstimmend beschlossenen Amendements wurden ausdrücklich nur als 
„Abänderungsvorschläge“ den Regierungen mitgeteilt, dergestalt, dafs bei ver- 
weigerter Zustimmung zu denselben es in den betreffenden Punkten bei den 
ursprünglichen Bestimmungen der Entwürfe sein Verbleiben behalten sollte.
	        
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