1732 II. Buch. Die Reichsgewalt.
2. Im Gegensatz zu der bruchstückweisen Regelung der Justiz-
verwaltung lag es in der Kompetenz des Reiches und in der Natur und
Absicht der Kodifizierung, das gerichtliche Verfahren der ordent-
lichen Gerichtsbarkeit in erschöpfender Weise zu ordnen. Allein auch
hier bereiteten die Verschiedenheiten des materiellen, öffentlichen und
privaten Rechtes Schwierigkeiten. Auch hier. ist die Reichsgesetz-
gebung nicht zur Vollständigkeit und damit zur Ausschliefslichkeit ge-
diehen. Vielmehr hat, wenn auch immer nur an vereinzelten Punkten,
ein Bereich eingeräumt. werden müssen, auf welchem gegen die Regel?
die Reichsgesetzgebung nur subsidiäre Geltung für sich in Anspruch
nimmt oder der Landesgesetzgebung besondere Ermächtigungen zu er-
gänzenden und modifizierenden Bestimmungen eingeräumt werden. So
für das Verfahren des Civilprozesses in Ansehung der Landesherren
und der Mitglieder ihrer Familien — E.C.P.O. 5 —, in Rücksicht
des Aufgebotsverfahrens — ebenda 11 —, in den Fällen des a. 15
des E.C.P.O., in Beziehung auf die Zwangsvollstreckungstitel und die.
Zwangs- und Arrestvollstreckung in Immobilien — C.P.O. 706. 757.
8ll —, so auch für das Verfahren des Strafprozesses in Feld- und
Forstrügesachen — E.St.P.O. 3, bei Zuwiderhandlungen gegen das
Vereins- und Versammlungsrecht, bei Verfolgung gegen Mitglieder
gesetzgebender Versammlungen und gegen Beamte — E.St.P.O. 6 und
E.G.V.G. 11.
II. Wenn die Reichsjustizgesetze ihre Geltung nur auf einen Teil
des der Reichskompetenz unterliegenden „gerichtlichen Verfahrens“
beschränkten, so war es notwendig, die Abgrenzung zwischen der
Reichsgesetzgebung und dem Landesrechte in seiner Fortdauer und
in seiner Weiterentwickelung durch die gesetzliche Feststellung des
entscheidenden Begriffes der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu bewirken.
Es ist dies geschehen durch G.V.G. a. 13: „Vor die ordentlichen Ge-
richte gehören alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen,
für welche nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden
oder Verwaltungsgerichten begründet ist, oder reichsgesetzlich be-
sondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind.“ Diese Begriffs-
bestimmung der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist zwar nicht dem Wort-
laute, aber dem Erfolge nach negativ. Denn sie empfängt ihren
nähern Umfang nur durch die begründete Kompetenz der andern,
den ordentlichen Gerichten gegenübergestellten Behörden.
Allerdings ist es an erster Stelle die Reichsgesetzgebung selbst,
welche in legislativen Erwägungen zu bestimmen hat, in welchem
®2 E. St.P.O. a.6. E.C.P.O. a. 14.