Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

736 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
darf und muls dem verlautbarten legislatorischen Motiv die Bedeutung 
beigemessen werden, dafls_es eintretenden Falles den Malsstab abgiebt, 
um zu beurteilen, ob ein Landesgesetz, das in bürgerlichen Rechts- 
streitigkeiten den Rechtsweg ausschliefst, sich als eine gerechtfertigte 
Ausnahme oder aber als eine Verleugnung des reichsgesetzlich an- 
erkannten Grundsatzes selbst darstellt. Im letzteren Falle stünde es 
zweifellos zur Kompetenz des Reiches, auf Grund seines allgemeinen 
Rechtes der Beaufsichtigung, unter zutreffenden Umständen auf Grund 
einer Beschwerde über: Justizverweigerung die Beseitigung .des Landes- 
gesetzes herbeizuführen. 
Immerhin ergiebt sich aus dem allen eine anomale Stellung der 
Landesgesetzgebung. Während alle streitige, ordentliche wie be- 
sondere Gerichtsbarkeit in Civil- und Strafsachen im Reiche nur von 
Gerichten ausgeübt werden kann, welche vom Reiche vorgeschrieben 
oder ausdrücklich zugelassen sind, während die Überweisung von 
Strafsachen an Verwaltungsbehörden -oder Verwaltungsgerichte nur 
auf Grund bestimmt begrenzter Ermächtigungen des Reiches erfolgen 
kann, ist es der Gesetzgebung der Einzelstaaten gestattet, in freier 
Erwägung der durch ihr öffentliches Recht zu schützenden Interessen 
den Gerichten bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zu entziehen, damit 
aber ihrerseits die Zuständigkeit der vom Reiche geordneten Gerichte 
abzuändern und damit weiterhin die Anwendbarkeit der Reichsjustiz- 
gesetze auszuschlielsen. — 
Mit dem allen gewähren die Justizgesetze ein charakteristisches 
Bild der Wirksamkeit der Bundesverhältnisse in Deutschland. Selbst 
auf einem Gebiet, welches einer umfassenden Kodifikation von Reichs 
wegen unterzogen worden ist, sind das Reich und die Einzelstaaten 
in ein Verhältnis gegenseitiger Ergänzung gesetzt, welches nicht durch 
den Gegensatz der Gesetzgebung einerseits und der Vollziehung und 
Rechtsprechung andererseits erschöpft wird, sondern auch die beider- 
seitigen Gesetzgebungen untrennbar aufeinander anweist und sich 
gegenseitig bedingen lälst. 
8 126. 
Die Beaufsichtigung des Reiches (Justizverweigerung). 
Wieweit auch die Generalklausel R.V. a. 4, No. 13 die Kompetenz 
des Reiches für die deutsche Rechtspflege dem Gegenstande nach 
erstreckt hat, so gewährt dieselbe doch keinerlei anderweitige Re- 
gierungsrechte, als die normalen der Gesetzgebung und Beaufsichtigung. 
Der Inhalt der PBeaufsichtigung ist kraft der Generalklausel
	        
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