Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

8 127. Das Reichsgericht. 747 
steht oder nicht bestellt wird®. So kann das Reichsgericht zur Ent- 
scheidung über Kompetenzkonflikte der ordentlichen Gerichte, welche 
die Landesgesetzgebung in einein besonderen Verfahren erledigt wissen 
will”, so kann es zur obersten Instanz für alle besonderen landesherr- 
lichen Gerichte berufen werden°, beides dann, wenn der Einzelstaat 
einen solchen Antrag stellt und demgemäfs mit Zustimmung des 
Bundesrates eine kaiserliche Verordnung ergeht. Aber in allen diesen 
Fällen ist das Reichsgericht nur Hülfsgericht, welches nicht so- 
wohl eine dem Reiche eigene Gerichtsbarkeit ausübt, als vielmehr im 
Interesse der an sich den Einzelstaaten zustehenden Gerichtsbarkeit 
aushülfsweise sich diesen zur Verfügung stellt. 
II. Das Reichsgericht ist seiner organisatorischen Stellung 
nach nicht einfach ein Gericht letzter Instanz, welches an den 
ununterbrochenen Zug staatsrechtlich gleichartiger, nur prozessualisch 
gegliederter Instanzen sich zu oberst anschliefst, sondern es ist ein 
oberster Gerichtshof in dem eminenten Sinne, dals es eine 
Gerichtsbarkeit des Reiches in seiner verfassungsmäßsigen Überordnung 
über Einzelstaaten darstellt. 
Gerade darum übt das Reichsgericht in einem bestimmten Sinne 
eine unmittelbare Gerichtsbarkeit nicht aus, nämlich nicht in 
dem Sinne einer die Gerichtsbarkeit der Einzelstaaten ersetzenden 
und aufsaugenden Gerichtsbarkeit. 
Allerdings ist das Reichsgericht selbst Objekt einer unmittelbaren 
Verwaltung des Reiches. Diesem steht über das erstere die Justiz- 
verwaltung, insbesondere die’ Personalbestellung und wirtschaftliche 
Ausrüstung, genau in der nämlichen Weise zu, wie einem Einheits- 
staate oder einem Einzelstaate über seine Gerichte. 
Allerdings haben die Entscheidungen des Reichsgerichtes eine 
unmittelbare Rechtswirksamkeit für die Behörden und Unterthanen 
des Einzelstaates. 
Aber trotzdem ist es nicht blols unter dem Gesichtspunkte 
prozessualischer Technik den unteren Instanzen vorgesetzt, son- 
dern es hat die landesherrliche Gerichtsbarkeit als ein ver- 
6 Eg. G.V.G. $ 11. Die Ansicht, dafs dem Reichsgericht die einmal be- 
gründete Kompetenz durch die spätere partikularrechtliche Errichtung eines 
Verwaltungsgerichtshofes nicht wieder entzogen werden könne, ist gegenüber 
der Terminologie der Justizgesetze — insbesondere Eg. CivilprozefsO. 14. 15. 
16 — nicht aufrecht zu erhalten. S. jetzt insbesondere Wach, Civilpr. I 
201. 202. 
" @.V.G. 8 17 und Eg. G.V.G. $ 17. 8 Eg. G.V.G. 8 3.
	        
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