Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

64 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates, 
weder durch den Zusammenbruch des ehemaligen deutschen Reiches 
noch durch die Entwickelnng unter dem Staatenbunde noch durch 
die Begründung des neuen deutschen Staatswesens berührt worden. 
Es sind dies die beiden Grofsherzogtümer Mecklenburg, 
Schwerin und Strelitz°®. Hier wird das öffentliche Recht thatsächlich 
noch jetzt beherrscht durch den zwischen den beiden Landesherren 
einerseits und der Ritter- und Landschaft andererseits abgeschlossenen 
Vertrag d.d. Rostock den 18. April 1755 und den von ihm bestätig- 
ten früheren Verträgen,. insbesondere der sogenannten alten Union 
der meckleuburgischen Landstände vom 1. August 1523, dem Asse- 
kurationsrevers vom 23. Februar 1621 und dem Revers vom 4. Juli 
1572. Sie begründen die altständische Verfassung im vollen Wortsinn. 
Sie bewirken auf der einen Seite, dals keines der beiden Länder einen 
geschlossenen Staat unter einer einheitlichen Verfassung bildet — in dem 
Domanium herrschen die Landesherren ohne konstitutionelle Schranken, 
und die Stadt Wismar mit den Ämtern Poel und Neueukloster, sowie 
das Fürstentum Ratzeburg stehen aulserhalb der ständischen Union —, 
auf der andern Seite, dafs die Ritter- und Landschaft gemeinschaft- 
lich ist. Die Ritter- und Landschaft stellt sich damit auch äufserlich 
ddar nicht als ein zur Vertretung der Gesamtheit berufenes staatliches 
Organ, sondern als ein dem Staate gegenüber gestellter, selbständiger, 
aus den Korporationen der Städte und ritterschaftlichen Gutsbesitzer 
zusammengesetzter korporativer Verband, dessen rechtlicher Beruf die 
Vertretung und die Wahrnehmung der den privilegierten Ständen zu- 
stehenden Rechte gegenüber dem Landesherrn bildet. — Die Beseiti- 
sung des unter dem 10. Oktober 1849 publizierten Staatsgrundgesetzes 
für das Grofsherzogtum Mecklenburg-Schwerin infolge Spruches des 
Schiedsgerichtes zu Freienwalde vom 12. September 1850 ist und 
bleibt in ihrer Rechtsgültigkeit bestritten. Das ganze öffentliche Recht 
beider Länder steht damit unter einer Verfassungsstreitigkeit im Sinne 
des a. 76 al. 2 der R. V®. 
Ihrer Staatsform nach nehmen auch die drei Hansestädte 
eine besondere Stellung ein. Sie sind Republiken in der Verbindung 
5 J. Wiggers, Das Verfassungsrecht im Grolsherzogtum Mecklenburg- 
Schwerin, 1860. O. Büsing, Das Staatsrecht d. Grofsh. Mecklenburg-Schwerin 
und Mecklenburg-Strelitz, in Marquardsen, Handb. d. öffentl. Rechts, II. 
Ba., 2. Halbbd., 1. Abt. S. 1ff. 
6 Wiggers, Die mecklenburgische Verfassungsfrage, 1869. O. Piper, 
Zu den Verhandlungen über die Reform unserer Verfassung, 1872. Die mecklen- 
burgische Verfassungsfrage, deren Geschichte und gegenwärtiger Stand, 1877.
	        
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