764. II. Buch. Die. Reichsgewalt.
vertrag begründet ist, die Handhabung der Gerichtsbarkeit in
Straf- und Privatrechtssachen über die dortigen Reichsangehörigen
und Schutzgenossen von Reichs wegen und durch besondere Reichs-
organe: den Konsul und das Konsulargericht, denen als Berufungs-
und Beschwerdeinstanz das Reichsgericht vorgesetzt ist. Nur die
Schwurgerichtsfälle, sowie Hoch- und Landesverrat gegen Kaiser und
Reich liegen aufserhalb ihrer Kompetenz.
In den völkerrechtlichen Befugnissen ist weiterhin die Prisen-
gerichtsbarkeit begriffen, die Entscheidung über die Rechtmäfsig-
keit der in einem Kriege gemachten Prisen. Sie hat nach Mailsgabe
‚des Gesetzes vom 3. Mai 1884 durch eine besondere Reichsbehörde,
‚das Prisengericht, zu erfolgen, über deren Sitz, Zusammensetzung und
Verfahren eine kaiserliche Verordnung zu befinden hat?®.
| 3. An die Konsulargerichtsbarkeit ist die Kolonialgerichts-
barkeit, die Bestandteil der verfassungsmäfsigen kolonialen Befug-
nisse des Reiches ist, eng angeschlossen worden. Gemäfs dem Gesetze
17. April 1886 | 8
vom 15. März ggg bestimmt sich die Kompetenz und die Bildung der
Kolonialgerichte nach den Vorschriften des Konsulargerichtsbar-
‚keitsgesetzes vom 10. Juli 1879, dergestalt jedoch, dals durch kaiser-
liche Verordnung im Gesetz näher bezeichnete Abweichungen bewirkt
werden können. Insbesondere kann die Kompetenz der Kolonial-
gerichte auch auf Angehörige anderer eivilisierter Staaten und auf
Eingeborene ausgedehnt und auf die Schwurgerichtsfälle erweitert
werden und es kann das Reichsgericht, als oberste Instanz, sei es
durch ein Konsulargericht oder durch ein im Schutzgebiet besonders
formiertes Gericht ersetzt werden.
4. Kraft der dem Reiche verfassungsmälsig zustehenden, das
Recht der Beaufsichtigung und Gesetzgebung überschreitenden Befug-
nisse im Eisenbahnwesen hat das Gesetz über das Reichseisenbahnamt
vom 27. Juni 1873* das „Verstärkte Reichseisenbahnamt“,
‘als ein Verwaltungsgericht des Reiches, geschaffen. In kollegialischer
Formation entscheidet dasselbe über die vom Reichseisenbahnamte ver-
fügten Malsregeln, gegen welche von einer Staats- oder Privat- oder
auch von der Reichseisenbahnverwaltung auf Grund der Behauptung
Widerspruch erhoben wird, dafs dieselben in den Gesetzen und rechts-
gültigen Vorschriften nicht begründet seien®.
3 Verordnung vom 15. Februar 1889, betr. die Ausübung der Prisen-
-gerichtsbarkeit aus Anlafs der ostafrikanischen Blokade.
4 Vgl. das Regulativ vom 13. März 1876, Centralblatt S. 197.
5 Die Strafgerichtsbarkeit des Reiches in den Postsachen be-