Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

166 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
und Spruchgerichte von Fall zu Fall; die Leitung des Verfahrens, 
insbesondere die Verfügung über Dienstsuspension und über Verhaftung 
des Angeschuldigten, die Entscheidung über Einstellung oder Fort- 
gang des Verfahrens nach geführter Voruntersuchung; die Vollstreckung 
der Erkenntnisse. Allerdings üben sie diese Rechte aus unter gesetz- 
lich geordneter Mitwirkung der Auditeure und sie haben die Unab- 
hängigkeit der als Untersuchungs- und Spruchgerichte fungierenden 
militärischen Kommissionen in ihrer Rechtssphäre anzuerkennen, aber 
durch ihr Bestätigungsrecht der Erkenntnisse der Standgerichte mit 
der Befugnis der Strafmilderung greifen sie auch in den Rechtsver- 
spruch selbst ein. 
Dem Kriegsherrn an der Spitze steht in Person eine 
oberste wahre Rechtsprechung zu. Die ihm vorbehaltene, 
ebenso wie die in den niederen Fällen den kommandierenden Gene- 
ralen und Divisionskommandeuren delegierte Bestätigung der Urteile 
der Kriegsgerichte ist Ersatz für die Versagung jedes ordentlichen 
Rechtsmittels und hat damit die Natur eines Rechtsspruches. Und 
dasselbe gilt von den Entscheidungen des Kriegsherrn bei Ungesetz- 
lichkeitserklärungen der Kriegsgerichtsurteile durch das Generalaudi- 
toriat, sowie bei Begründung der aulserordentlichen Rechtsmittel der 
Restitution und Nichtigkeit. 
Das Generalauditoriat hat regelmälsig nur Rechte der Auf- 
sicht, der Begutachtung und formelle Entscheidungen, letztere unter 
Rekurs an den Kriegsherrn. Eine wahre richterliche Instanz mit Ent- 
scheidung in der Sache selbst ist es nur für die Instanzgerichte der 
Militärbeamten auf das hier eingeräumte Rechtsmittel der weiteren 
Verteidigung. 
Mit dem allen ist es die beherrschende Grundauffassung des 
preufsischen Rechtes, dafs die Militärgerichtsbarkeit inte- 
grierender, untrennbarer Bestandteil dermilitärischen 
Befehlsgewalt ist. 
Nach Malsgabe der R.V. a. 61 war das gesamte preufsische Militär- 
recht und insbesondere die Militärstrafgerichtsordnung vom 3. April 
1845 in dem ganzen deutschen Reiche einzuführen, wie dies thatsäch- 
lich — mit Ausnahme Bayerns und Württembergs — geschehen ist. 
Nach Mafsgabe der R.V. aa. 63. 64 steht der militärische Befehl 
über das deutsche Heer einheitlich, unbedingt, ungebrochen und unter 
Ausschlufs der Landesherren dem Kaiser zu und alle Befehlshaber- 
stellen sind nur Gliederungen des kaiserlichen Befehles. 
Aus diesen Rechtssätzen folgt mit Notwendigkeit der andere 
Rechtssatz: Die oberste Militärgerichtsbarkeit imReiche,
	        
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