Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

66 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates. 
ständischen Repräsentation, als einer dem Staate gegenübergestellten 
selbständigen Korporation der privilegierten Stände. Sie wurde ersetzt 
durch eine Volksvertretung im engeren konstitutionellen Sinne, d. h. 
durch ein Organ des Staates selbst, welches die Beteiligung des 
Staatsbürgertumes an der Ausübung der staatlichen Funktionen ver- 
mittelt. 
Allerdings hat sich diese Entwickelung weder in allen drei Rich- 
tungen mit einem Schlage, noch in allen Staaten gleichzeitig, noch 
überall aus den gleichen politischen Motiven vollzogen. Darum treten 
in den einzelnen Verfassungen gewisse typische Unterschiede hervor. 
Sie sind wesentlich bedingt durch die politischen Richtungen, die, durch 
die öffentlichen Verhältnisse unmittelbar nach Gründung des deutschen 
Bundes, alsdann durch die Ereignisse von 1830 und endlich durch die 
Revolution von 1848 bezeichnet, sich je in den unter ihrem Einflusse 
entstandenen Verfassungen widerspiegeln, wenn auch allmählich, ins- 
besondere auch durch die Umwälzungen von 1866 fast überall eine 
gewisse Nivellierung des öffentlichen Rechtes eingetreten ist. 
Hieraus ergeben sich die Gruppierungen der Einzelstaatsver- 
fassungen. 
1. In naher zeitlicher und inhaltlicher Beziehung zueinander 
stehen die Verfassungen der vier süddeutschen Staaten. Die 
Grundrichtung, in der sie entstanden sind, fand ihren prägnanten Aus- 
druck. in der allgemeinen Konstitution vom 1. Mai 1808, die Maximilian 
Joseph für das seit 1777 in seinen beiden Linien vereinigte und in 
den napoleonischen Kriegen vergrölserte Bayern erliels. Sie beseitigt 
alle besonderen Verfassungen, Privilegien, Erbämter und landschaft- 
lichen Korporationen der einzelnen Provinzen, sie ordnet an, dals das 
ganze Königreich durch eine „Nationalrepräsentation“ vertreten, nach 
gleichen Gesetzen gerichtet, nach gleichen Grundsätzen verwaltet und 
durch das gleiche Steuersystem beherrscht sein soll. In Verfolg 
dessen erging 
für das Königreich Bayern unter dem 26. Mai 1818 die Ver- 
fassungsurkunde, nebst den 10 als Beilagen bezeichneten Edikten, auf 
welchen noch heute das innere Staatsrecht beruht. Eine wesentliche 
Fortbildung gewann die Verfassung insbesondere durch die Gesetze 
vom 4. Juni. 1848 in Rücksicht auf die Bildung der Kammern der Ab- 
geordneten, dieständische Initiative und die Ministerverantwortlichkeit !°. 
10 J. Pözl, Lehrbuch des bayerischen Verfassungsrechtes 5. Aufl. 1878. 
M. Seydel, Bayerisches Staatsrecht, 5 Bde. 1884 ff, und Derselbe in Mar- 
quardsen, Handb. d. öffentl. Rechts III. Bd., 1. Halbbd., 1. Abt.
	        
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