Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 133. R.V. a. 78 al. 1 als Ermächtigung und Vorschrift. 173 
das Amendement XII von 1804 trifit eine organische Bestimmung 
über die Präsidentenwahl. Erst die Ereignisse, die einen gewaltigen 
Bürgerkrieg entfachten, haben es vermocht, eine Erweiterung der 
Kompetenzen der Unionsgewalt in den Amendements XI, XIV, XV 
aus den Jahren 1865, 1868 und 1870 herbeizuführen, die aber aus- 
nahmslos nur den einen Gegenstand, die Abschaffung der Sklaverei, 
zum Mittelpunkte haben. 
Anders die Schweizer Eidgenossenschaft. Sie vollzog 
bereits im Jahre 1874 eine Totalrevision der Bundesverfassung von 
1848 und ihr sind bereits weitere Speeialrevisionen in den Jahren 
1879, 1885, 1887, 1890 und 1891 hinzugetreten. Dieselben haben nur 
in einzelnen Bestimmungen die organisatorischen oder grundrecht- 
lichen Vorschriften berührt, vorzugsweise aber wesentliche Erweite- 
rungen der Bundeskompetenz herbeigeführt. 
Beide Bundesverfassungen stützen übereinstimmend das Recht zu 
diesen Fortbildungen auf diejenigen Bestimmungen ihrer Verfassungen, 
welche die allgemeine Ermächtigung zu „Amendements to this Con- 
stitution*!, zur „Revision der Bundesverfassung“ ? gewähren. Keine 
von beiden Verfassungen unterscheidet ihre Bestimmungen über die 
Kompetenz von ihren sonstigen Vorschriften. Sie unterliegen in voll- 
kommen gleicher Weise denselben Abänderungsformen?. 
Auch für das deutsche Reich kann das Recht der Kompetenz- 
Kompetenz ausschliefslich und allein gestützt werden auf die allge- 
meine Ermächtigung zu Verfassungsänderungen, wie sie R.V. a. 78 
al. 1 gewährt. 
8 138. 
R.V. a. 78 al. 1 als Ermächtigung und Vorschrift. 
Die Bestimmung des R.V. a. 78 al. 1: 
„Veränderungen erfolgen im Wege der Gesetz- 
sebung. Sie gelten als abgelehnt, wenn sieim Bun- 
desrate 14 Stimmen gegen Sich haben“ 
! Amerik. Unionsverf. art. V. 
2 Schweizer Bundesverf. aa. 118—123 (Revision vom 5. Juli 1891). 
8 Die deutsche Reichsverfassung von 1849 hob es in ihrem $ 63 aus- 
drücklich hervor, dafs Kompetenzänderungen — „gemeinsame Einrichtungen 
und Mafsregeln im Gesamtinteresse Deutschlands“ — „in den für Verfassungs- 
änderungen vorgeschriebenen Formen“ von der Reichsgewalt getroffen werden 
können. Die Unionsverfassung strich diesen Paragraphen, ohne damit etwas 
anderes zu beabsichtigen oder zu bewirken, als dafs die allgemeinen Vor- 
schriften über Verfassungsänderungen — $ 194 — auch die Kompetenzände- 
rungen ohne weiteres befafsten.
	        
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