Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 133. R.V. a. 78 al. 1 als Ermächtigung und Vorschrift. 181 
im Wege des Vertrages desReiches mit den Einzelstaaten 
und zu gunsten des ersteren. Ein solcher Vertrag erweitert alsdann 
die Kompetenzen des Reiches, aber nicht in vertragsmälsiger Änderung 
der Verfassung, sondern auf Grund und in Verfolg derselben. 
Dagegen ist jeder andere Vertrag über die Verfassung und die 
Kompetenzen des Reiches auf Grund der Reichsverfassung’ 
ausgeschlossen. 
Das gilt an erster Stelle von den Verträgen der Einzelstaaten 
untereinander. Selbstverständlich ist jeder solcher Vertrag, der 
sich die Wirkung beimessen würde, unmittelbar die Verfassung zu 
ändern oder in ihrer beabsichtigten Wirkung zu hemmen, null und 
nichtig und er berechtigt zutreffenden Falles das Reich, die Anerken- 
nung der Nichtigkeit in sicherstellenden Formen zu erzwingen. Aber 
selbst Verträge der Einzelstaaten, durch welche sie sich zu bestimmten 
Abstimmungen im Bundesrate verpflichten, welche es mithin zur Ab- 
sicht und zum Erfolge haben, die Ausübung der Kompetenzen des 
Reiches, insbesondere seiner gesetzgebenden und verfassungsändernden 
Befugnisse durch Rechtsgeschäfte aulserhalb der Reichsorgane zu be- 
stimmen, sind verfassungswidrig und nichtig. Denn das ganze Gefüge 
der Vorschriften über die Organisation und Funktion des Bundesrates, 
insbesondere über die Notwendigkeit der Beratungen vor der Beschluls- 
fassung — R.V. a. 7 al. 2 —, über die Bildung vorbereitender Aus- 
schüisse — a. 8 —, bekundet die unzweideutige Absicht der Ver- 
fassung, dafs, trotz der Instruktion der Bundesratsbevollmächtigten 
durch je die einzelne Regierung die Abstimmung im Bundesrate nicht 
eine nur formelle Stimmabgabe sein, sondern auf Grund der Vor- 
bereitungen und Vorberatungen innerhalb des Bundesrates erfolgen 
und damit die rechtliche Natur einer kollegialischen Willensbildung 
innerhalb der Organisation des Reiches festhalten soll. 
Aber auch das Reich ist auf Grund der Verfassung nicht er- 
mächtigt, mit den Einzelstaaten irgend welche Verträge rechtsver- 
bindlich zu schliefsen, welche eine rechtliche Normierung seiner ver- 
fassungsmälsigen Kompetenzen zum Gegenstand haben. 
Gewils ist das Reich befugt kraft und innerhalb seiner Kompetenz 
mit den Einzelstaaten Verträge mannigfachen Inhaltes abzuschlielsen. 
Sie können rein fiskalischer Art sein. Sie können die Durchführung 
der Kompetenzen des Reiches angehen, wenn zu diesem Behufe Mit- 
9 Vorbehaltlich der sonderrechtlichen Verträge mit den süddeutschen 
Staaten, welche neben der R.V. Geltung behalten haben. S. $& 138.
	        
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