Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

182 H. Buch. Die Reichsgewalt. 
wirkungen partikularer Behörden oder Benutzung der Veranstaltungen 
und Einrichtungen der Einzelstaaten in Anspruch genommen werden, 
zu denen diese reichsgesetzlich nicht verpflichtet sind. Oder es kann 
sich um Regulierungen handeln, welche zwischen der eigenen und 
unmittelbaren Verwaltung des Reiches einerseits und den selbstän- 
digen Verwaltungszweigen der Einzelstaaten andererseits in polizei- 
licher, gerichtlicher, steuerlicher oder sonstiger Beziehung erforderlich 
sind !®, 
Allein ein Vertrag des Reiches mit den Einzelstaaten vermag es 
nicht, die Kompetenz des Reiches zu erweitern, sei es im allgemeinen, 
sei es auch nur im Verhältnis zu den Kontrahenten. 
Er vermag es ebensowenig, die dem Reiche oder einem seiner 
Organe verfassungsmälsig zustehenden Kompetenzen der Zuständigkeit 
oder der Ausübung nach zu Gunsten der Einzelstaaten zu be- 
schränken. Jeder dahin zielende vertragsmälsige Verzicht des 
Reiches ist nichtig. Das eilt insbesondere für die Auslegung der 
Militärkonventionen. 
Er vermag es auch nicht, die dem Reiche oder einem seiner 
Organe verfassungsmälsig zustehenden Kompetenzen rechtlich zu 
binden, sei es dals die Absicht auf unveränderte Festhaltung des 
gegenwärtigen Bestandes der Kompetenz oder auch nur auf eine 
authentische. Erläuterung derselben gerichtet sei. Alle auf Grund der 
bestehenden Gesetzgebung rechtsgültig abgeschlossenen Verträge des 
Reiches mit den Einzelstaaten stehen daher unter dem durch die Ver- 
fassung gebotenen Vorbehalte, dafs durch dieselben das Recht des 
Reiches, einen Gegenstand seiner Kompetenz nach seinem Ermessen 
durch seine Gesetzgebung zu regeln oder im Wege der Gesetzgebung 
einen bisher aufserhalb derselben gelegenen Gegenstand seiner Kompe- 
tenz zu unterstellen, nicht berührt wird. Sie gewähren den Einzel- 
staaten niemals ein subjektives, wohlerworbenes Recht auf Stillstand 
oder auf eine bestimmte Richtung der Reichsgesetzgebung. 
Alle Erweiterungen, Beschränkungen oder Bindungen der Reichs- 
kompetenz können im Verhältnisse des Reiches zu seinen Mitgliedern 
ausschliefslich in den durch R.V. a. 78 vorgeschriebenen Formen der 
Gesetzgebung bewerkstelligt werden. Das Reich hat nicht den Beruf, 
weder die Pflicht, noch auch nur das Recht, mit den Einzelstaaten über 
seine Verfassung und damit über seine Kompetenz zu paktieren. 
10 Hierher gehören insbesondere die besonderen Verabredungen über das 
bayerische Festungswesen im Schlufsprotokoll vom 23. November 1870, XIV 
88 1—3.
	        
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