Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 135. Die Staatsart des Reiches. 793 
Wirkungskraft herabgedrückt. Die Formen der Kompetenzänderung 
sind für das deutsche Reich leichtere und verschwimmendere, als in 
jedem anderen Bundesstaate. 
Es ist wesentlich nur die Organisationsweise der gesetzgebenden 
Körperschaften und insbesondere des Bundesrates, welche den Einzel- 
staaten Bürgschaften für die Aufrechterhaltung des deutschen Bundes- 
staates und damit ihres eigenen Daseins gegenüber der Rechts- 
macht des Reiches, welche die Kompetenz-Kompetenz bezeichnet, ge- 
währen kann. 
$ 135. 
Die Staatsart des Reiches. 
Mit der Kompetenz-Kompetenz ist dem Reiche die höchste und 
umfassendste Gewalt gegeben, die von ihm auf Grund der Verfassung 
ausgesagt werden kann. Sie schliefst den Kreis der Befugnisse ab, die 
den Inhalt der Reichsgewalt ausmachen. Sie giebt vom Standpunkt 
der Kompetenz aus die letzte Entscheidung, ob und in welchem Sinne 
das wissenschaftliche Recht besteht, das deutsche Reich als Gesamt- 
heit und in seinen Gliedern als Staat zu behaupten. 
Gleicehartig mit dem Einheitsstaate sind die Kompe- 
tenzen, die dem Reiche als einer centralen, von den Einzelstaaten 
unterschiedenen Organisation zustehen. 
l. Das hat die Natur seiner materiellen Kompetenzen er- 
geben. 
Die Reichspflege stattet das Reich mit Kompetenzen in der 
Organisations-, Finanz-, Straf- und Zwangsgewalt, in seiner Kriegs- 
macht und in der völkerrechtlichen Gewalt aus, die schlechterdines 
nicht blols auf eine bundesmälsige Verwendung der Macht- und Rechts- 
mittel der Einzelstaaten für die Gemeinschaftszwecke gestellt sind, 
sondern vielmehr eigene und selbständige Macht- und Rechtsmittel 
zur Behauptung und Fortbildung seines Wesens darstellen. 
Im Gebiete der Wohlfahrts- und Rechtspflege sind dem 
Reiche Aufgaben in einer Weise und in einem Umfange zugeschrieben, 
welche die Auffassung ausschliefsen, als ob es sich darum handele, 
nur die Kraft und Wirksamkeit der Einzelstaaten als solcher zu ver- 
stärken und nur die Übereinstimmung ihrer partikularen Ordnungen 
soweit herbeizuführen, als erforderlich erscheint, um sie in der Er- 
reichung der ihnen selbst kompetierenden Staatsaufgaben zu unter- 
stützen. Vielmehr greift hier überall das Reich als ein selbständiger 
und seine eigenen Zwecke verfolgender Faktor unmittelbar in das 
Kulturleben des Volkes ein.
	        
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