Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

794 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
Eigentümlich allerdings ist die Staatenpflege. Die dem 
Reiche hier gestellten Aufgaben haben die Einzelstaaten in ihrer 
Sonderexistenz und in ihrem friedlichen Zusammenleben zum Gegen- 
stande. Der Einheitsstaat kennt gleichartige Subjekte, auf die sich 
seine Wirksamkeit bezieht, nicht. Und doch entspricht auch dies 
dem Wesen des Einheitsstaates. der berufen ist, allen auf seinem 
(Gebiete sich bewährenden gesellschaftlichen Kräften mit Schutz und 
Förderung zur Seite zu stehen. 
2. Den ihm gestellten Aufgaben entsprechen die Regierungs- 
rechte des Reiches. | 
Zunächst eine Gesetzgebung, die für ihren Bereich in den 
Formen der Willensbildung und in der rechtlichen Bindekraft für alle, 
die es angeht, schlechterdings alle Merkmale wie im Einheits- oder 
Einzelstaate aufweist. 
Auf ‘den Gebieten der eigenen und unmittelbaren Verwaltung 
eine vollziehende Gewalt in der vollen Entfaltung des Begriffes. 
Auf den Gebieten seiner Kompetenz aber, die verfassungsmälsig 
die Mitwirkungsrechte der Einzelstaaten dulden und fordern, schafft 
das Reich ein Abhängeigkeitsverhältnis dieser Einzelstaaten, welches 
sie in die nämliche Rechtsstellung zum Reiche versetzt, wie dies die 
Eingliederung der Selbstverwaltungskörper in dem Einheits- oder 
Einzelstaate thut. | 
Damit ist durch das positive Recht eine Auffassung ausgeschlossen !, 
welche es auch für die deutsche Gestaltung des Bundesstaates für 
aufserwesentlich erklärt, dafs das Reich in unmittelbaren Rechts- 
beziehungen zu den einzelnen Unterthanen steht und welche eben 
darum als unmittelbare Mitelieder desselben nur 25 Einzelstaaten an- 
erkennt, nicht aber gleiche korporative Miteliedschaftsrechte den 
„Reichsangehörigen“ in unmittelbaren Gehorsamspflichten und in un- 
mittelbaren staatsbürgerlichen Berechtigungen zuspricht. 
Allerdings das Wesen des Bundesstaates ist nicht erschöpft durch 
die Formel, dafs er unmittelbar auf die einzelnen Unterthanen wirkt, 
so wenig als das des Einheitsstaates. Das andere ist vielmehr das 
wesentliche Merkmal des letzteren, dafs er auf alle ihm eingeordneten 
Elemente des gesellschaftlichen Zusammenwirkens in allen ihren 
individualrechtlichen, familienhaften und korporativen Organisations- 
formen nach deren Natur und zugleich seinen Aufgaben gemäls 
einwirke. Wenn daher das Reich nicht ausschliefslich auf Individuen 
wirkt, sondern auch auf Einzelstaaten, die wesentliche Bestandteile 
ı Die Theorie Labands und Rümelins. S. $ 31 Note 4. 5.
	        
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