Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

808 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
heutigen Reichsverfassung, wie schon nach den Reichsverfassungen 
von 1849, liegt ein jener Gleichberechtigung entgegengesetztes Prineip 
zu Grunde: die Abstufung der organischen Rechte der 
Einzelstaaten nach einer ungefähren Schätzung ihres 
verschiedenen politischen Gewichtes. 
Dieser Grundsatz ist es, den die Verfassungsvorschriften be- 
währen, welche, entsprechend der historischen Entwickelung und den 
bestehenden Machtverhältnissen der Einzelstaaten, die beiden, die 
Eigenart des deutschen Bundesstaates konstituierenden Erscheinungen 
erzeugen. 
Die hegemonische Rechtsstellung Preulsens wird be- 
gründet durch die Personalunion der preulsischen Krone mit dem 
Kaisertum, durch die Verknüpfung. des letzteren mit dem Präsidium 
im Bundesrate und in dessen Ausschüssen, sowie mit dem Ernennungs- 
recht der Mitglieder des militärischen und maritimen Ausschusses, 
durch das Vetorecht Preufsens gegen gesetzgeberische Beschlüsse des 
Bundesrates über das Militärwesen und die Kriegsmarine, sowie gegen 
alle Beschlüsse desselben über die in R.V. a. 35 bezeichneten Ab- 
gaben °. 
Die Willensbildung des Bundesrates erfolgt nach R.V. 
a. 6 durch eine Abstimmungsweise, welche jedem einzelnen Staate ein 
ziffermälsig abgewogenes Stimmgewicht durch Verteilung von 58 Stimmen 
unter die 25 Einzelstaaten zumilst. 
Allerdings und selbstverständlich begründen auch diese Ver- 
fassungsvorschriften subjektive Berechtigungen einzelner Staaten, welche, 
gemessen am Malsstabe einer vollen Gleichheit, besondere Gröfsen- 
verhältnisse darstellen. Man mag sie darum als Sonderrechte in 
einem weiteren Sinne bezeichnen. Aber sie sind es schlechterdings 
nicht in dem Sinne einer ausnahmsweisen Privilegierung Einzelner, 
sondern sie sind nur Anwendung des organisatorischen Grundprineipes 
der Verfassung. Sie stehen darum unter keinem anderen Rechts- 
schutze, als die gemeingültigen Formen der Verfassungsgesetzgebung 
gewähren. 
Erst mit den süddeutschen Verfassungsverträgen sind organisa- 
torische Sonderrechte geschaffen worden, die über die Linie der in 
in der norddeutschen Verfassung anerkannten grundsätzlichen Mals- 
2 R.V. aa. 5 al. 2. 8 11. 15. 37. 
3 R.V. a. 78 al. 2 ist für die hegemonischen Rechte Preufsens wegen 
seiner 17 Stimmen im Bundesrate irrelevant, für a. 6 aber unanwendbar. 
Hänel, Studien I 201 ff.
	        
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