824 II. Buch. Die Reichsgewalt.
Könige von Preulsen ergriffen. Der hiefür entscheidende Akt war
die Einsetzung des Generalgouvernements durch Kabinetts-
ordre vom 14. August 1870. Er stützte sich völkerrechtlich auf das
Recht der kriegerischen Occupation, im Verhältnis zu den kriegsver-
bündeten deutschen Staaten auf die Eigenschaft des Königs von
Preulsen als Oberbefehlshabers der deutschen Truppen, die ihm die
norddeutsche Verfassung und die Schutz- und Trutzbündnisse von 1866
beigelegt hatten. Seit dem Inkrafttreten aber der deutschen Reichs-
verfassung mit dem 1. Januar 1871 wurde die Staatsgewalt in Elsals-
Lothringen ausgeübt kraft des militärischen Befehles und des Rechtes
über Krieg und Frieden, welche jetzt verfassungsmälsig dem deutschen
Kaiser zustanden. Die Versailler Friedenspräliminarien vom 26. Fe-
bruar und der Frankfurter Friedensvertrag vom 10. Mai 1871 über-
trugen endlich das bisher oceupierte Gebiet „mit vollem Suveränetäts-
und Eigentumsrechte“ auf das deutsche Reich.
Aus der Reichsverfassung erwuchs die Pflicht, das erworbene
Land in den Verfassungsbestand des Reiches einzufügen und ihm
selbst die Rechtsgrundlage für seine innere staatsrechtliche Gestaltung
zu verschaffen.
Damit stand das Reich vor einer Entscheidung, die einer durch-
aus verschiedenen Lösung in einer zweifachen Alternative fähig war.
Entweder das Reich hielt fest an der Natur seines Staatswesens
als Bundesstaates, die innerhalb seines gesamten Gebietes eine
Gliederung nach Einzelstaaten zur Voraussetzung hat. Alsdann konnte
es sich nur darum handeln, entweder Elsals- Lothringen aus einer
Provinz, die es bisher war, in einen Einzelstaat zu gleichem Rechte
mit den anderen durch einen besonderen Konstituierungsakt umzu-
wandeln oder es einem anderen Einzelstaate einzuverleiben. Diese
letztere Lösung ist es gewesen, die bei der Erwerbung Helgolands
durch den Vertrag mit England vom 1. Juli 1890 eingeschlagen wurde.
Die Insel vom Kaiser kraft seines völkerrechtlichen Vertragsrechtes
für das deutsche Reich erworben, wurde durch das Reichsgesetz vom
15. Dezember 1890 dem Bundesgebiet hinzugefügt, aber zugleich ihre
Einverleibung in den preulsischen Staat vorgesehen. Ihre Erwerbung
blieb daher ohne jeden Einfluls auf die verfassungsmälsigen Grund-
lagen des deutschen Reiches.
Oder aber — in der anderen Alternative — das Reich ent-
schlofs sich, in Rücksicht auf Elsals-Lothringen die verfassungsmälsigen
Grundlagen des Bundesstaates zu durchbrechen und damit seiner
Staatsgewalt eine neue Gestalt zu geben.
Für eine solche Entscheidung bot unter den beiden fremden