Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

S 142. Die Verfassung des Reichslandes. 829 
Lothringens beherrschen sollte, konnte nur durch eine wesentliche 
Umwandlung der bis dahin zur Handhabung der Staatsgewalt be- 
rufenen Organe erfolgen. 
I. Dies fand seinen obersten Ausdruck in der erneuerten Kon- 
zentration aller Hoheitsrechte für die Landesangelegenheiten 
des Reichslandes in der Hand des Kaisers. Er ist wiederum — aller- 
dings am letzten Ende nur mit einem gewissen Vorbehalte — Inhaber 
sowohl der Gesetzgebung als der Vollziehung. 
1. Die Ausübung der kaiserlichen Gewalt erfolgt an oberster 
Stelle durch den vom Kaiser zu ernennenden und abzuberufenden 
Statthalter in Stralsburg. Derselbe hat eine doppelte Stellung. 
Er ist Stellvertreter des Kaisers, wenn und soweit der 
Kaiser im Verfolg der Ermächtigung des S 1 des Gesetzes vom 
4. Juli 1879 ihm „landesherrliche Befugnisse“, d. h. solche Befugnisse, 
deren Wahrnehmung nach Malsgabe der zutreffenden Gesetze an die 
Person des Staatsoberhauptes gebunden ist, überträgt. Anordnungen 
und Verfügungen des Statthalters in dieser seiner Eigenschaft bedürfen 
zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Staatssekretäres, der da- 
durch die Verantwortlichkeit übernimmt. 
Er ist Reichsminister für Elsals-Lothringen, d.h. er ist der- 
jenige Beamte des Reiches in allen Landesangelegenheiten, der die 
nämliche Rechtsstellung einnimmt, wie der Reichskanzler in den Reichs- 
angelegenheiten. Von seiner Gegenzeichnung hängt daher die Rechts- 
gültigkeit aller landesherrlichen Anordnungen und Verfügungen des 
Kaisers ab. Seine Verantwortlichkeit sowohl für die gegengezeichneten 
Staatsakte als für seine selbständige Amtskompetenz ist dieselbe, 
welche den Reichskanzler für seinen Geschäftsbereich trifft. Er ist 
darum auch hier, wo er nicht als Alterego des Kaisers handelt, ein- 
ziger Minister in dem Sinne, dals der Staatssekretär nur sein Stell- 
vertreter ist im Sinne des Reichseesetzes vom 17. März 1878. 
Demgemäls sind dem Statthalter die Behörden für elsals-lothrin- 
eische Angelegenheiten zunächst unterstellt. 
Er ist Vorsitzender des Staatsrates, der wesentlich zur Be- 
gutachtung von Entwürfen zu Gesetzen und allgemeinen Ausführungs- 
verordnungen berufen ist. 
Unter ihm bildet sich das Ministerium mit seinen Abteilungen, 
dessen Chef der Staatssekretär ist. Aber das Ministerium ist — 
vorbehaltlich der vertretenden Stellung des Staatssekretäres — nicht 
Ministerium im konstitutionellen Sinne, sondern es verhält sich zum 
Statthalter nur wie die Reichsämter zum Reichskanzler. 
Unter dem Ministerium verzweigen sich die Verwaltungsbehörden
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.