Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 143. Erwerb und Organisation. 837 
nehmern, insbesondere von kaufmännischen Firmen und Gesellschaften, 
für das Reich und in späterer Anerkennung seiten desselben ge- 
schlossen wurden. Zu einem anderen Teile aber erfolgte der Erwerb 
der Herrschaft durch einseitige Akte der Aneignung, für welche das 
Reich die Anerkennung durch friedliche Mittel oder durch Gewalt 
sich zu verschaffen und zu behaupten verstand. 
2. Im Verhältnis zu den Mächten der Völkerrechts- 
gemeinschaft stützt sich der Erwerb mit einziger Ausnahme der 
ostafrikanischen Küstenstriche, welche der Sultan von Zanzibar vom 
1. Januar 1891 ab an den deutschen Kaiser abtrat, auf den Rechts- 
titel der Aneienung der im Sinne des Völkerrechtes herrenlosen Ge- 
biete. Aber auch dieser Rechtstitel hat eine durchaus verschiedene 
Gestaltung gewonnen. 
Nur in einem gewissen und — geographisch genommen — nur 
in einem geringeren Umfange war die Aneignung eine Aneignung 
effektiver Herrschaftsrechte, sei es durch Occupation im eigent- 
lichen Sinne, sei es durch Übernahme eines „Protektorates“ über 
die einheimischen Autoritäten, eines Protektorates, das freilich nicht 
ein völkerrechtlichkes, sondern nur ein den verschiedenen Ver- 
hältnissen sich irgendwie anpassendes Schutzverhältnis bedeutet. 
Im gröfseren Umfange erfolgte die Aneignung durch völkerrecht- 
liche Verträge der. an der Kolonisation Afrikas und der Südsee- 
inseln beteiligten europäischen Mächte behufs Abgrenzung ihrer 
„Interessensphären“. Solche Verträge schlofs das Reich mit 
Frankreich unter dem 24. Dezember 1885 in Rücksicht auf die 
Länder am Golf von Guinea und auf die Südseeinseln, sowie mit 
Portugal unter dem 30. Dezember 1886 rücksichtlich Mozambique 
und Angra Pequena. Insbesondere gehören dahin die mannigfachen 
Verständigungen mit England, welche für Angra Pequena auf Grund 
der Beratungen einer vom März bis September 1885 tagenden Kom- 
mission, für Neu-Guinea, den Bismarck-Archipel und die Salomoninseln 
durch Notenwechsel im April 1885, für die Marschall-, Brown- und 
Providenceinseln durch Vertrag vom 6. April 1886, für die Besitzungen 
am Guineagolf durch Notenwechsel im April, Mai, Juni 1885 und im 
Juli, August 1886, für Ostafrika durch die Übereinkommen vom 29. Ok- 
tober und 1. November 1886 getroffen wurden. Sie haben ihren Ab- 
schluls gefunden durch das deutsch-englische Abkommen vom 1. Juli 
1890, durch welches die Kolonialgebiete beider Mächte in Ost-, in 
Südwest- und Westafrika definitiv bestimmt und begrenzt wurden?. 
2 Heilborn, Das völkerrechtliche Protektorat, insbesondere S. 23 ff. 58 ff. 
3 S. die Drucksachen des Reichstages 1885/86 No. 121. 291. 1886,87 No. 56. 
1890 No. 166.
	        
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