Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

838 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
Artikel VII desselben lautet: „Jede der beiden Mächte übernimmt die 
Verpflichtung, sich jeglicher Einmischung in diejenige Interessensphäre 
zu enthalten, welche der anderen zuerkannt ist. Keine Macht wird in 
der Interessensphäre der anderen Erwerbungen machen, Verträge ab- 
schliefsen, Suveränetätsrechte oder Protektorate übernehmen oder die 
Ausdehnung des Einflusses der anderen hindern. Es besteht Ein- 
verständnis darüber, dafs Gesellschaften oder Privatpersonen, welche 
der einen Macht angehören, die Ausübung von Suveränetätsrechten 
innerhalb der Interessensphäre der anderen Macht, aufser mit Zu- 
stimmung der letzteren, nicht zu gestatten ist“. Damit ist die Ab- 
sicht aller dieser Verträge bezeichnet. Die Mächte erkennen sich 
gegenseitig in gewissen, auf der Landkarte bezeichneten Gebieten das 
ausschlielsliche Recht auf Aneignung einer kolonialen Herrschaft zu, 
gleichgültig ob eine solche bereits effektuiert ist oder nicht. Allerdings 
entsteht damit zunächst nur ein vertragsmälsiges Verhältnis zwischen 
den Vertragsparteien, aber es ist darum nicht minder zweifellos, dals 
der Eingriff einer dritten Macht in die ausschlielsliche Interessensphäre, 
wenn sie sieh nicht auf einen früheren und besseren Rechtstitel zu 
stützen vermöchte, als Verletzung nicht nur eines Interesses, sondern 
eines Rechtes betrachtet werden würde. 
3. Der rechtliche Erwerb der Kolonieen, als ein Regierungs- 
und Verwaltungsakt der Reichsgewalt, konnte selbstver- 
ständlich nur erfolgen auf Grund der Verfassung des Reiches. 
Soweit es sich hierbei um die Regelung der Beziehungen zu 
fremden Mächten handelte, um die Anerkennung des Rechtes des 
Reiches auf den Erwerb von Kolonieen, um die Behauptung der er- 
worbenen Gebiete, um die Abgrenzung der Interessensphären war hierzu 
der Kaiser, auf Grund der R.V. a. 11, kraft seines Rechtes, das 
‚Reich völkerrechtlich zu vertreten,’ berufen. Dagegen konnte sich die 
rechtliche Begründung desjenigen Verhältnisses zwischen dem Reiche 
und den aulserhalb des Bundesgebietes liegenden Ländern, welches 
den Begriff der Kolonie ausmacht, nur stützen auf R.V. a. 4, welcher 
in No. 1 die Bestimmungen über die „Kolonisation“ als eine An- 
gelegenheit bezeichnet, welche der „Gesetzgebung“ des Reiches 
unterliegt*. 
Demgemäfls konnte den ersten Akten, welche die Aneignung der 
kolonialen Gebiete für das deutsche Reich bewirkten, nur eine völker- 
* Das war auch die Auffassung, von der die Erklärung des Bundes- 
kommissares im konstituierenden Reichstage — Verhandlungen S. 271. 272 — 
ausging.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.