Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 145. Die organisatorische Verteilung der Kolonialgewalt. 855 
briefe und des Schutzgebietsgesetzes zur Zeit eine wesentliche praktische 
Bedeutung dadurch verloren, dals die bisher von der ostafrikanischen 
und Neuguiena-Gesellschaft versuchte Verwaltung in den Schutz- 
gebieten unmittelbar auf das Reich übernommen worden ist?. Allein 
eine Wiederbelebung ist rechtlich jederzeit zulässig. 
Die Rechtslage, die solchen Falles Platz greift, wird dadurch be- 
zeichnet, dafs die Zwecke der Kolonialgesellschaften mit den Aufgaben 
der Kolonialpolitik des Reiches gleichartige und dafs die zu diesem 
Behufe von den Gesellschaften ausgeübten Hoheits- oder Herrschafts- 
rechte die gleichen Mittel, wie die in der Kolonialgewalt des Reiches 
enthaltenen sind. Die Kolonialgesellschaften gewinnen damit den 
Charakter öffentlichrechtlich regulierter Verbände, die zwar für die 
Organisation der Schutzgebiete nicht wesentlich und darum keine 
Zwangsverbände sind, die aber dem Gebiete der Selbstverwaltung an- 
gehören '°. 
Auf der einen Seite stehen ihnen Herrschaftsrechte, die mit öffent- 
lichen Rechten gleichartig sind, als subjektive Rechte auch im Ver- 
hältnisse zum Reiche zu. Es ist hierfür gleichgültig, ob sie dieselben 
ursprünglich durch Aneignung oder durch Verträge insbesondere mit 
den Eingeborenen erworben haben, oder ob sie ihnen vom Reiche 
verliehen oder nach erstmaliger Übertragung auf dieses zurückver- 
liehen worden sind. 
Auf der anderen Seite steht dem Reiche gegenüber den Gesell- 
schaften, wie gegenüber jedem anderen Unternehmer kraft seiner 
Kolonialgewalt das Recht zu, durch seine Gesetzgebung oder durch 
das zutreffende kaiserliche Verordnungsrecht die Bedingungen zu 
regeln, unter welchen ihre Zulassung auf den Schutzgebieten über- 
haupt und die Ausübung aller der Rechte, die sie in Anspruch nehmen, 
zu erfolgen hat. Das Reich hat insbesondere zu bestimmen, welchen 
Rechten der Aufsicht sie sich zu unterwerfen haben und demgemäls 
diese Aufsicht zu führen. 
Allerdings ist hierbei die Gesetzgebung des Reiches beschränkt 
in Gemälsheit des Rechtsschutzes, der allen wohlerworbenen Rechten 
gemeingültig gebührt. Denn die hier fraglichen Hoheits- oder Herrschafts- 
rechte sind als auch von Privaten erwerbbar anerkannt. Auch sie dürfen 
° V.O. behufs Übertragung der Befugnisse des ehemaligen Landeshaupt- 
manns auf den kaiserlichen Kommissar für das Schutzgebiet der Neu-Guinea- 
Kompagnie vom 6. Mai 1890. Vertrag zwischen der kaiserlichen Regierung 
und der Deutsch-ostafrikanischen Gesellschaft vom 20. November 1890 $ 4. — 
Drucksachen des Reichstages 1890 No. 166. 
108.8 22. 
 
	        
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