89 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates.
dafs eine durch die Beziehung auf einen gemeinschaftlichen Zweck
zwar innerlich verbundene, aber äufserlich doch immer nur als eine
Vielheit sich darstellende Erscheinung im socialen Leben als eine
Einheit betrachtet und dafs sie damit vom Rechte wie eine Person
seinen objektiven Ordnungen unterworfen und zum Träger subjektiver
Rechte und Pflichten erhoben wird?
Mit dieser Fragstellung ist es wesentlich die nach aulsen gekehrte,
ist es hauptsächlich die privatrechtliche Wirkungsweise des korporativen
Verbandes, die zur Erklärung steht. Ihre Beantwortung führt zu dem
Begriffe der juristischen Person. Allein dieser Begriff ist ein
weiter. Er befalst als Gleichartigkeiten den korporativen” Verband
und die Stiftung, vielleicht auch die ruhende Erkschaft. Aber gerade
die greifbaren Verschiedenheiten des „Substrates“ derselben erweisen
es auf den ersten Blick, dafs der gemeinschaftliche Gesichtspunkt der
juristischen Person auf einer obersten formalen Abstraktion beruht,
welche nur eine übereinstimmende äufsere Wirksamkeit aussagen kann,
aber das innere Wesen einer jeden dieser Erscheinungen unberührt
lassen muls.
Darum wird denn das Problem der Begriffsbestimmung des kor-
porativen Verbandes nur durch die andere Fragstellung getroffen:
welches ist die innere Gestaltung, dieeigentümliche Verbindunes-
weise der ihm zu Grunde liegenden Gesellschaft, welches ist das
specifische Band, das die daran Beteiligten zusammenhält?
Erst wenn diese Frage erledigt ist, wirft sich an zweiter Stelle
die andere auf: welche Elemente der innern Gestaltung des kor-
porativen Verbandes sind es, die es ermöglichen, und in welchem
Sinne geschieht es, dals der korporative Verband nach aulsen und
im Verhältnis zu Dritten eine Wirksamkeit entfaltet, die ihn wie eine
Einheit, die ihn als juristische Person erscheinen lälst?
II. Unter jenem nach innen gekehrten Gesichtspunkte besteht
das Wesen des korporativen Verbandes in der Gliederung der gesell-
schaftlich Zusammenwirkenden nach Organen und Mitgliedern
und in dem Grundverhältnis, in welches beide zueinander ver-
setzt sind.
Dasjenige aber, was für das Wollen aller Beteiligten das ausschlag-
gebende Motiv ist und was darum für die Gestaltung des korporativen
Verbandes das Bildungsprinzip abgiebt, ist der Gemeinzweck.
Der Gemeinzweck steht weit ab von dem psychologischen That-
bestande, welcher wie in den Austauschverhältnissen der: freien An-
passung, so in den gesellschaftlichen Organisationsformen des Familien-
verbandes, der Grund- und Vogteiherrschaft zum Ausdruck gelangt.