$ 10. Der Gemeinzweck. 83
Auch ihnen mögen wir im Hinblick auf ihre Wirkungen für die Kultur-
entwicklung und danach vom Standpunkt des. Ganzen der Gesellschaft
aus einen Gesamtzweck nachsagen. Allein in der innern Struktur
dieser Verbindungsweisen handelt es sich nirgends um einen gleichen
Inhalt des Wollens der Beteiligten, den man als einen gemeinschaft-
lichen Zweck bezeichnen könnte, sondern in den verschiedenen Leistungen
der Austauschenden, in der verschiedenen Lebens- und Rechtsstellung
der Herrschenden und Beherrschten bethätigt sich für jeden derselben
eine Verschiedenartigkeit des Bedürfens und der Befriedigung und
damit der Zwecke. Hier überall handelt es sich um die Ordnung
eines gesellschaftlichen Zusammenwirkens aus nur Korrespon-
dierenden Motiven und für korrespondierende Zwecke.
Der Gemeinzweck ist aber auch verschieden von dem nur gemein-
samen Zweck. Dieser ist ein gemeinschaftlicher d. h. seinem Inhalt
nach identischer Zweck, welcher nach der Vorstellung der Beteiligten
durch ihre, wie auch immer motivierte, doch im letzten Entschlusse
freie Willensbestimmung nicht nur gesetzt ist; sondern dessen Durch-
führungsmalsregeln auch von der im Verlaufe oder im voraus
gezollten Zustimmung derselben abhängig bleiben. Der gemeinsame
Zweck ist und bleibt im ganzen Verlauf seiner Verwirklichung die
Summierung zufällig, weil nur kraft freier Entschlielsungen überein-
stimmender Individualzwecke und zwar auch dann, wenn dieselben
ihrem Inhalte nach nicht egoistische, sondern gemeinnützige sind.
Jeder der Beteiligten empfängt durch die Mitwirkung der das Gleiche
Wollenden Verstärkung für die Erreichung seines individuellen Zweckes
um den Preis, dafs er durch seine Mitwirkung den andern Verstärkung
für die Erreichung ihrer Individualzwecke gewährt. Der gemeinsame
Zweck ist das Bildungsprinzip der Gesellschaften im engern,
juristisch-technischen Sinne.
Der Gemeinzweck dagegen ist ein gemeinschaftlicher Zweck,
der von der instinktiv gebildeten oder von der durchdachten Vorstellung
einer den einzelnen und gleichmälsig die andern bindenden und
darum alle Beteiligten beherrschenden Notwendigkeit begleitet ist.
Welche psychologischen Eigenschaften es sind, die es ermöglichen,
welche ethischen Anforderungen, die es gebieten, welche äulseren
historischen Umstände, die es veranlassen, dals sich so geartete Vor-
stellungen erzeugen und den übereinstimmenden Willensinhalt zu-
sammenlebender Menschen bilden — das sind Fragen vorhergehender
wissenschaftlicher Untersuchungen. Für die Erklärung der Erscheinung
des korporativen Verbandes sind diese Vorgänge als ein gesicherter
Thatbestand vorausgesetzt.
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