Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

84 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates. 
Der Umfang aber, in welchem die Notwendigkeit eines gemein- 
schaftlichen Zweckes sich Anerkennung verschafft, ist für die Bildung 
des korporativen Verbandes von unmittelbarer Bedeutung. Er bewirkt 
zwei wesentlich verschiedene Erscheinungen. 
Die Nötigung kann sich zunächst auch auf die Zwecksetzung 
selbst erstrecken. Denn in jeder Volksgemeinschaft giebt es ge- 
meinschaftliche Zwecke, deren Verwirklichung durch die historisch- 
sittliche Entwickelung in dem Malse gefordert ist, dafs die Verweige- 
rung ihrer Anerkennung nur durch das volle Ausscheiden aus der zu- 
treffenden Kulturgemeinschaft vollzogen werden kann. 
Es kann aber auch die Zwecksetzung der freien Willensbestimmung 
der Beteiligten anheimfallen. Alsdann beschränkt sich die Nötigung 
darauf, dafs, wenn und sobald der Zweck von den Beteiligten gesetzt 
ist, seinem Inhalte und den bedingenden Umständen nach die zu seiner 
Verwirklichung erforderliche aus- und durchführende Thätig- 
keit nicht mehr von der willkürlichen Bestimmung, der zufälligen 
Willensübereinstimmung der einzelnen abhängig gemacht werden kann. 
Das letztere ist das Bildungsprinzip der korporativen Verbände 
des Privatrechtes, das erstere, wenn nicht ausschlieflslich, doch über- 
wiegend, das der korporativen Verbände des öffentlichen Rechtes. 
Dem Staate, wie man auch seinen Zweck fasse und in welche 
einzelnen Aufgaben er sich auflöse, liest ein Gemeinzweck zu 
Grunde. Er ist als Notwendigkeit empfundenes Motiv und Richt- 
mals für das Wollen und Handeln aller seiner Angehörigen. Es ist 
derselbe Zweck, der durch die Staatsgewalt und ihre Träger an 
den Staatsangehörigen verwirklicht wird und um dessen willen diese 
jenen Anerkennung und Gehorsam zollen. 
8 1l. 
Die Organe. 
Mit dem Thatbestande und mit dem Begriffe des Gemeinzweckes 
ist ein Gemeinwille gesetzt. Mit ihm ist in praktischer und 
logischer Folgerichtigkeit eine Willenspotenz und eine Willensbildung 
gefordert, welche sich einerseits niemals lossagen kann von der Ur- 
bedingung jedes menschlichen Wollens: der Bildung desselben in und 
durch Individuen, welche aber andererseits durch die Unabhängigkeit 
von der willkürlichen Willensbildung der einzelnen Beteiligten die 
Verwirklichung des Gemeinzweckes ermöglicht und sicherstellt. 
Hierdurch wird es bewirkt, dals die am Gemeinzwecke Beteiligten 
'um seinetwillen nach Organen und Mitgliedern sich gliedern.
	        
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