102 " "9° Drittes Kapitel.
Es kann dies in einem doppelten Sinne geschehn.
Entweder dergestalt, dass die im Eingange vorgeschrie-
benen Bundeszwecke eine aktuelle Kompetenz des Bundes
begründen sollen. In diesem Falle sind die einzelnen Kom-
petenzen des Artikel 4. der Verfassung nur Beispiele und Er-
örterungen und sie können im Wege der einfachen Gesetz-
gebung, ohne dass es der erschwerenden Formen der Ver-
fassungsänderung bedarf, vermehrt und ausgedehnt werden
bis zur Weite der Kompetenzvorschrift des Einganges. Die
Grenze des Wirkungskreises des Reiches und der Einzelstaa-
ten, welche man bisher im Artikel 4. der Verfassung fand und
durch Artikel 78. gesichert glaubte, ist damit verwischt. Eine
solche Auffassung würde der Absicht widersprechen, welche
bei der Entstehung des Artikel 4. der norddeutschen und der
deutschen Reichs-Verfassung und bei der Handhabung dessel-
beu während der Dauer des norddeutschen Bundes, wie jetzt
des deutschen Reiches, von allen betheiligten Faktoren offen-
kundig gehegt worden ist. Sie ist bisher von keiner Seite be-
hauptet worden.
Als Vorschrift gefasst kann daher die Zweckbestimmung
des Einganges nur noch die andere Bedeutung haben, nicht
sowohl der durch Artikel4. der Verfassung bereits begrenzten
einfachen Gesetzgebung, als vielmehr den im Artikel 78. vor-
gesehenen Verfassungsänderungen eine bestimmte
rechtliche Grenze zu ziehn und damit der Kompetenz der
Einzelstaaten einen wirksamen Schutz gegenüber der Kom-
petenz des Bundes zu Verfassungsänderungen zu gewähren ®.
Wenn diese Auffassung aus dem allgemeinen Grunde gerecht-
fertigt worden ist, weil derZweck eines vereinbarten genossen-
schaftlichen Verbandes die feste Basis seiner Existenz bilde,
welche olıne neue Vereinbarung nicht verändert werden könne,
so ist dies unrichtig, wenn aus der Vereinbarung ein Staat
hervorgegangen ist. Wenn man aber wenigstens für die be-
»Bähra.a. O. Sevdel, Kommentar pız. 22 ff. Meyer Eröterungen
pag. 69.