108 Drittes Kapitel.
fallen unter die hier gestellte Alternative und bedürfen darum
einer nähern Erörterung.
I. Von nur vorübergehendem Interesse war die Be-
stimmung im dritten Artikel der norddeutschen und jetzt der
Reichsverfassung: „Ebenso bleiben bis auf Weiteres die Ver-
träge in Kraft, welche zwischen den einzelnen Bundesstaaten
in Beziehung auf die Uebernahme von Auszuweisenden, die
Verpflegung erkrankter und die Beerdigung verstorbener
Staatsangehöriger bestehn“. Eine solche Bestimmung wäre
überflüssig gewesen, wenn sie nur die fortdauernde Verpflich-
tung der Vertragschliessenden durch die Gothaer Verträge:
vom 15. Juli 1851 und 25. Juli 1854 und durch die Eisenacher
Uebereinkunft vom 11. Juli 1853 bis zum Eintreten der Bun-
desgesetzgebung hätte aussprechen wollen. Sie besagte offen-
bar ein Mehres, insbesondere durch die Worte „bis auf Wei-
teres“. Sie wollte die Bestimmungen dieser Verträge bereits
vor dem Eintreten der Bundesgesetzgebung über die Hei-
maths- und Niederlassungsverhältnisse ausser der Willkür der
Betheiligten d. h. ausser der Freiheit vertragsmässiger Be-
liebungen setzen und ihre Fortgeltung nicht mehr von den
Kündigungsklauseln derselben abhängig wissen. Vielmehr
sollten Abänderungen nur noch im Wege der Bundesgesetz-
gebung erfolgen und damit die Bestimmungen der Verträge
schon jetzt zur Kraft und Höhe gesetzlicher Normen erhoben
werden. Dieser Auffassung entsprach dann auch der $ 7. des
Freizügigkeitsgesetzes vom 1. November 1867, welcher die
Regelung des Verfahrens bei Ausweisungen unter verschie-
denen betheiligten Bundesstaaten nach dem Gothaer Vertrage
und nach den spätern zur Ausführung desselben getroffenen
Verabredungen als Gesetz feststellte. Allein alle diese Be-
stimmungen haben ihre Erledigung gefunden, soviel die nord-
deutschen Staaten betrifft, durch das Gesetz über den Unter-
stützungswohnsitz vom 6. Juli 187012, ferner dadurch dass
dieses Gesetz in Südhessen durch Artikel 80. der vereinbarten
128 1. desselben hebt ausdrücklich $ 7. des Freizügigkeitsgesetzes auf.