190 Drittes Kapitel.
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Die Vorschriften der Verfassung.
Wenn man die Vorschriften der Verfassung ins Auge
fasst, welehe Rechte der Einzelstaaten in deren Verhältniss
zur Gesammtheit feststellen, so lassen sich drei Reihen der-
selben unterscheiden.
I. Zunächst diejenigen Vorschriften, welche die Kompe-
tenzen des Reiches feststellen.
1. Sie sind zum überwiegenden Theil allgemeine,
welche alle Einzelstaaten gleichmässig treffen. Indem sie den
rechtlichen Wirkungskreis des Reiches gegenüber den Einzel-
staaten abgrenzen, gewähren sie den letztern im Verhältniss
zur Gesammtheit Rechte auf selbständiges, durch eine über-
geordnete Autorität nicht beschränktes Wollen und Handeln.
Es ist hierfür gleichgültig, ob diese Rechte nur negativ be-
stimmt sind dadurch, dass dem Reiche in ihrem Gebiete über-
haupt keine oder doch, wenn keine ausschliessliche, eine zur
Zeit nicht ausgeübte Kompetenz 8° zusteht oder ob den Einzel-
staaten bestimmte Rechte ausdrücklich zugesprochen werden,
wie die Erhebung und Verwaltung der Zölle und Verbrauchs-
steuern, das Anstellungsrecht der untern Post- und Tele-
graphenbeamten, die Rechte der Kontingentsherrn. — RV.
aa. 36 al. 1, 50, al. 5, 66 —.
2. Von diesen allgemeinen Vorschriften heben sich die-
jenigen ab, welche sich für einzelne Staaten als besondere
Exemtionen von der Kompetenz des Reiches darstellen.
Dahin gehören:
a. Die Exemtionen Baierns, Würtembergs und Badens
von dem Rechte desReiches auf Besteuerung des inländischen
— -
so Nach dem im Schlussprotokoll vom 23. November 1870 ad. VI. aner-
kannten Grundsatze, dass bezüglich der der Reichslegislative zugewiesenen
Gegenstände die in den einzelnen Staaten geltenden Gesetze in solange in
Kraft bleiben und auf dem bisherigen Wege der Einzelgesetzgebung abge-
ändert werden können, bis eine bindende Norm vom Reiche ausgegangen ist.