260 Fünftes und Schlusskapitel.
lich geforderte Schutz der Rechtsstellung der Einzelstaaten.
In diesem Satze insbesondere liegt der wesentliche Unter-
schied zwischen dem Rechtsschutze der Sonderrechte einzelner
Staaten, welche durch eine Vorschrift der Verfassung festge-
stellt sind, und derjenigen, welche nur auf vertragsmässigen
Zusicherungen der Protokolle beruhn. Ein Gesetz, welches
die letztern ohne Zustimmung des berechtigten Bundesstaates
ändert oder aufhebt, ist eine Verletzung wohlerworbener Rechte
des öffentlichen Rechtes; es ist ein unrechtes, aber kein un-
gültiges Gesetz. |
Um jenes Satzes willen hat der Reichstag das Recht und
die Pflicht über die Einhaltung der verfassungsmässigen
Formen jeder Verfassungsänderung im Bundesrathe zu wachen.
Er kann im Zweifelsfalle seine Zustimmung zu einem Gesetze
von der ausdrücklichen Voraussetzung der Erfüllung der Be-
dingungen des 78. Verfassungsartikels abhängig machen !%.
Er kann selbst die Gültigkeit eines erlassenen verfassungsän-
dernden Gesetzes kontestiren, wenn die von ihm präsumirte
Erfüllung der verfassungsmässigen Formen- im Bundesrath
nicht stattgefunden hat. |
Um jenes Satzes willen ist die Entscheidung des Bundes-
rathes, dass die Zustimmung zu einem Gesetze oder Vertrage
nur mit einfacher Majorität zu erfolgen habe, an sich nur eine
nächste und einseitige Entscheidung über eine Frage seiner
Geschäftsordnung. Es ist eine weitere Frage, ob der über-
stimmte Einzelstaat die Kontestation einer Verfassungsver-
letzung zu erheben und die Behauptung der Ungültigkeit des
verletzenden Gesetzes zu einer von der Entscheidung der Ge-
schäftsordnungsfrage verschiedenen rechtlichen Entscheidung
zu bringen vermag.
II. Wirstehn damitvordem Rechststreit, welchen der
Einzelstaat als solcher über eine Verletzung seiner Rechte
durch die Reichsgewalten erhebt.
1 Es wird dies geschehn in der Form eines Amendements zu der Publi-
kationsformel des Gesetzes: „nach auf Grund des Art. 78. der RV.
erfolgter Zustimmung des Bundesrathes etc. *