Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Erster Band. Die vertragsmäßigen Elemente der Deutschen Reichsverfassung. (1)

36 Erstes Kapitel. 
sache, dass die überall gleiche Natur des Menschen und seiner 
Beziehungen zur Aussenwelt gewisse Grundrichtungen in 
seinen rechtlichen Willensbestimmungen erzeugt, stellt das 
dispositive Gesetz — wenn wir von den einseitigen Rechtsge- 
schäften hier absehen — typische Vertragsbestimmungen auf, 
deren Aneignung durch die Privatwillkür der Vertragschlies- 
senden im Zweifel vorausgesetzt wird. Wir würden daher 
die Bestimmungen der dispositiven Gesetze in jedem konkreten 
Anwendungsfalle als durch Gesetz entstandene Vertragsbe- 
stimmungen bezeichnen können, wenn nicht bei denselben 
gleichzeitig ein Moment der Ordnung im öffentlichen Interesse 
obwaltete, welches in der vorausgesetzten Absicht der Privat- 
willkür nicht vollkommen aufgeht und die vermittelnde Bezeich- 
nung der dispositiven gesetzlichen Bestimmungen rechtfertigt. 
Auf der andern Seite steht es, wenn durch den Vertrag 
der Betheiligten eine juristische Person entsteht 3. Geschieht 
dies, alsdann gewinnen die vertragsmässigen Bestimmungen, 
welche als solche nur für die einzelnen Vertragschliessenden 
Bindekraft besitzen, Bedeutung für eine von ihnen verschie- 
dene Rechtspersönlichkeit. Diese Rechtspersönlichkeit ge- 
winnt rechtliche Wirksamkeit gegenüber ihren Mitgliedern 
und gegenüber Dritten nur dadurch, dass sie die Vertragsbe- 
stimmungen als ihre eigenen und von ihr selbst gewollten 
Willensbestimmungen anerkennt und dieselben zur Richt- 
schnur ihres selbständigen Wollens und Handelns nach Innen 
und Aussen nimmt. Die sogenannten Grundverträge gelangen 
damit zu einer von den vertragsmässigen Beliebungen ver- 
schiedenen und deren rechtliche Wirkungskraft überragenden 
Geltung. Die „Grundverträge“ sind mit dem in das Leben 
Treten der juristischen Person Statuten oder Gesetze; Statuten 
— seien es einfache oder Verfassungsstatuten —, wenn die 
36 Juristische Person ist hier überall genommen als Gattungsbegriff für 
die privatrechtlichen, für die dem Staate nachgeordneten öffentlich - recht- 
lichen Korporationen,, für den Staat selbst und für die auf dem Boden des 
Völkerrechtes erwachsenden Korporationen — im Gegensatz zu den Stif- 
tungen.
	        
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