Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Erster Band. Die vertragsmäßigen Elemente der Deutschen Reichsverfassung. (1)

Allgemeine Erörterungen. 37 
Rechtsverbindlichkeit derselben auf der Ermächtigung oder 
Anerkennung einer der juristischen Person übergeordneten 
Rechtsordnung beruht, Gesetze — einfache oder Verfassungs- 
gesetze —, wenn die Rechtsverbindlichkeit derselben ihre Ge- 
währ in den eigenen Rechts- und Machtmitteln der juristischen 
Person gewinnt ?7, 
Das tritt am Klarsten dann hervor, wenn die vertrags- 
mässig festgestellten Bestimmungen als Statuten oder Gesetze 
sich vollkommen loslösen von den Willensbestimmungen der 
Kontrahenten, dergestalt dass die juristische Person nicht nur 
das Recht der Beschlüsse innerhalb dieser Normen, sondern 
auch das Recht gewinnt, die Grundstatuten und Verfassungs- 
gesetze durch ihre eigenen Organe und in einer von der ver- 
tragsmässigen Einigung ihrer Mitglieder unabhängigen Wil- 
lensbildung fortzuentwickeln, zuändern und aufzuheben. Aber 
es bleibt die Natur der Statuten und Gesetze auch dann unver- 
ändert, wenn dieselben als unwandelbare Abgrenzung gegen. 
die jura singulorum der Mitglieder gewollt sind, deren Schutz 
und Einhaltung sich die Einzelnen als solche vielleicht über- 
37 Hiermit ist die Frage keineswegs entschieden, ob die Statuten der dem 
Staate nachgeordneten juristischen Personen nur die rdnung eines einzelnen, 
wenn auch komplizirten und aus einer Reihe untergeordneter Rechtsverhält- 
nisse zusammengesetzten, Rechtsverbältnisses enthalten oder ob sie auch 
Rechtssätze erzeugen können, — kurz ob die Autonomie im Staate neben Ge- 
wohnheitsrecht und Gesetzgebung eine Rechtsquelle ist. Unter allen Um- 
ständen kann eine wahre Autonomie für die dem Staate nachgeordneten ju- 
ristischen Personen nur auf staatsseitiger Ermächtigung oder Anerkennung 
beruhen. Ob sie ertheilt sei oder nicht, ist eine durchaus konkrete Frage, bei. 
der es freilich zweifellos ist, dass da, wo öffentlichen Korporationen das Recht 
zusteht, ihr Steuersystem oder die Angelegenheiten der örtlichen Polizei sta- 
tutarisch zu ordnen, von einer blossen Ordnung einzelner Reclıtsverhältnisse 
keine Rede sein kann, sondern nur von der Aufstellung von Rechtssätzen, 
unter denen sich einzelne Rechtsverbältnisse entwickeln. Unter allen Um- 
ständen ferner kommt den rechtlichen Bestimmungen der reichsständischen 
Familien über ihre Familien- und Vermögensverhältnisse der Charakter der 
Statuten nur dann zu, wenn sie als juristische Personen anerkannteind. Auch 
die s. g. Statuten der Stiftungen tragen einen ganz andern rechtlichen Cha- 
rakter an sich.
	        
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