Allgemeine Erörterungen. 65
wirkens der verschiedenartigen, an der Gesammtaufgabe des
Staates arbeitenden Willensmächte zu beseitigen oder ihr vor-
zubeugen.
Man wird diese Einheit im Bundesstaate zu suchen haben
in seiner Organisation, welche überall, wenn auch in verschie-
denen Formen, diejenigen, welche die Träger der obersten
Gewalt in den Einzelstaaten sind, eine Verbindung eingehn
lässt, als deren Glieder sie zugleich die Träger der obersten
Gewalt im Gesammtstaate oder doch Theilnehmer daran sind.
Man wird sie zu suchen haben in den Verfassungsgesetzen
des Bundesstaates, insofern sie diejenigen Aufgaben des Staa-
tes, welche nur durch eine die Einzelstaaten ergänzende Ge-
meinschaft gelöst werden können, und diejenigen, welche der
individualisirenden Behandlung zugänglich und bedürftig sind,
scharf sondern und sachgemäss vertheilen, insofern dieselben
aber gleichzeitig auch in soweit in die Regierung der Einzel-
staaten eingreifen, als nothwendig ist, um diejenige wesent-
liche Uebereinstimmung in der Auffassung der Staatsaufgaben
durch den Gesammtstaat und jeden Einzelstaat, ja in den
Formen ihrer Realisirung zu verbürgen, ohne welche die ge-
plante, gegenseitige Ergänzung für die Erreichung des Staats-
zweckes schlechthin undenkbar ist.
Aber am letzten Ende wird es, wenn die geforderte Ein-
heit nicht vergeblich gesucht werden soll, ein Recht und eine
Macht geben müssen, welche diese Anlage der Organisation
und der Kompetenzen auf ein Ganzes hin nicht nur wahrt
sondern auch gemäss den mit den thatsächlichen Voraus-
setzungen wechselnden Anforderungen an den Staat und ge-
mäss den wechselnden Auffassungen über die Aufgaben des
Staates und über deren Verwirklichungsmittel fortbildet.
Dieses Recht und diese Macht kann der Natur der Sache
nach nur bei dem Gesammtstaate liegen.
Damit ist es gesagt, dass die einzelnen Staaten auch in
den Sphären, welche ihnen zu selbständiger Gesetzgebung und
Verwaltung überlassen sind, nicht schlechthin als selbständig,
als losgelöst von jeder Beziehung zum Ganzen betrachtet wer-
A. Haenel, Studien I. 5