10 Die Verfassungsentwürfe und die Verfassungen.
organische Einfügung gefunden hätte Viel näher lag der
Plan — und er ist erörtert worden —, die verbündeten Staaten,
soweit die Zwecke und Kompetenzen des Bundes reichten, an
den Staat Preussen anzugliedern, den preussischen Landtag
für die Bundesgesetzgebung durch ausserpreussische Mitglieder
zu verstärken und für die Vollziehung der Bundesangelegen-
heiten die preussische Staatsgewalt auf das Gebiet der übrigen
Staaten auszudehnen, wobei irgendwie für eine angemessene
Mitwirkung der verbündeten Regierungen in Gesetzgebung und
Vollziehung zu sorgen blieb. Aber auch diesem Plane stan-
den Hindernisse entgegen; nicht nur der Ausblick auf die
spätere Einfügung der süddeutschen Staaten, die in dieser
Form auf friedlichem Wege voraussichtlich nicht zu erreichen
war, sondern insbesondere die Bestimmungen des Bündniss-
vertrages vom 18. August 1866 und der Accessionsverträge
zu demselben. Denn hier war eine Bundesverfassung auf der
Basis der Preussischen Grundzüge vom 10. Juni 1866 vor-
gesehen; letztere aber enthielten den Artikel II:
„Die gesetzgebende Gewalt des Bundes wird auf den-
jenigen Gebieten, welche derselben zugewiesen sind,
von dem Bundestage in Gemeinschaft mit einer perio-
disch zu berufenden Nationalvertretung ausgeübt.“
Im Sinne dieses Artikels lag offenbar eine Organisation
der gesetzgebenden Gewalt nicht, welche sich einfach als eine
Erweiterung der legislativen Einrichtungen Preussens erwiesen
hätte.
So ist es geschehen, dass die Entwürfe der norddeutschen
Verfassung, zuerst der preussische Entwurf vom 15. Dezember
1866 und dann der von den verbündeten Regierungen am
4. März 1867 dem konstituirenden Reichstage vorgelegte Ent-
wurf, den Versuch darstellen, zwischen den beiden Alter-
nativen: entweder preussische Hegemonie oder Bundesstaat
nach herkömmlichem Muster, eine Vermittelung 'zu bewerk-
stelligen.
Nach der Grundanschauung, welche die Regierungsent-
würfe charakterisirte, erschöpfte sich die Organisation des