100 $ 1. Der Stand der Literatur. [4
Einer Seite hin zu ziehn. Aber hierein hat er sie auch voll-
ständig gezogen. Er gewinnt aus der neuen Begrifisbestim-
mung des Gesetzes den Massstab, um die Grenze zwischen
dem Recht der Gesetzgebung und dem der Verord-
nung zu bestimmen.
Es war P. Laband vorbehalten auf Grund der Begrifis-
bestimmungen Stockmar’s die Folgerungen nach der andern
Seite hin zu entwickeln. In seiner Schrift: „Das Budget-
recht nach den Bestimmungen der preussischen Ver-
fassung unter Berücksichtigung der Verfassung des
norddeutschen Bundes“ — 1871 —, stützte er auf den
Unterschied des Gesetzes im formellen und materiellen Sinne
die rechtliche Konstruktion des Budgetgesetzes.
So wurde die neue Lehre durch ihre Begründer von An-
fang an und in voller Absichtlichkeit zur Lösung zweier Pro-
bleme verwerthet, welche weitaus zu den wichtigsten Fragen
des konstitutionellen Staatsrechtes gehören, welche überdies
zur Zeit des Erscheinens beider Schriften, angesichts des kaum
beendeten preussischen Verfassungskonfliktes, ein höchstes prak-
tisch-politisches Interesse aufwiesen.
Der Erfolg beider Schriftsteller war ein durchaus ver-
schiedener. |
Das Ergebniss, zu dem von Stockmar in einer mit sel-
tener Geschicklichkeit gehandhabten Dialektik gelangte: „Die
verfassungswidrige Norm hat in Preussen gerade dieselbe Wir-
kung wie die verfassungsmässige,“ musste ihm die entschie-
dienste Gegnerschaft erwecken. Unter dieser Gegnerschaft ist
seine Initiative verdeckt und erstickt worden.
Laband dagegen, dessen Budgettheorie zu dem für die
Beurtheilung des preussischen Verfassungskonfliktes anspre-
chenden Ergebniss führte, dass es eine rechtmässige Finanz-
verwaltung auch ohne Budgetgesetz geben könne, ja eintre-
tenden Falles geben müsse, hat Schule im grössten Umfange
gemacht. Erst auf seine Initiative hin hat der Doppelbegriff
des Gesetzes eine allseitige Beachtung und eine vielseitige
Durcharbeitung erfahren.