239] & 22. Der Massstab der konstit. Verantwortlichkeit. 335
Jene anderweitigen Gesetze, „Vorschriften und Verwal-
tungsgrundsätze“, können aber auch in einer Weise verletzt
werden, die den Gegenstand und das Mass der budgetgesetz-
lichen Feststellungen nicht berührt. Auch hierbei kann die
allgemeine konstitutionelle Verantwortlichkeit des Reichs-
kanzlers und seiner Vertreter zutrefien. Aber es ist eine be-
sondere Frage, ob die Geltendmachung auch dieser Ver-
antwortlichkeit in den besondern Formen der verfassungs-
mässigen Rechnungslegung und insbesondere unter Mitwirkung
des Rechnungshofes erfolgen soll oder nicht. Das preussische
Rechnungskammergesetz $ 18 No. 2 hat diese Frage bejaht,
aber nur für Abweichungen von Gesetzen, welche sich auf
die Staatseinnahmen oder Staatsausgaben oder auf die Erwer-
bung, Benutzung oder Veräusserung von Staatseigenthum be-
ziehn. Aber hierfür ist es nicht das Budgetgesetz, sondern
jene anderweitigen Gesetze, welche den gesetzlichen Massstab
der Verantwortlichkeit bilden.
2. Für den Reichskanzler knüpfen sich sodann an
alle Abweichungen vom Budgetgesetze bestimmte
Rechtspflichten.
Es ist vollkommen gleichgültig, welcher Art die Abwei-
chungen sind.
Sie können „quantitative“ sein: Mindereinnabmen oder
Mehreinnahmen, Minderausgaben oder Mehrausgaben.
Sie können „qualitative“ sein: Nichterhebung einer
etatmässigen Einnahme oder Erhebung einer nichtetatmässigen
Einnahme, Nichtleistung einer etatmässigen Ausgabe oder
Leistung einer nichtetatmässigen Ausgabe.
Sie können temporäre sein. Alle Ausgaben des Etat-
jahres, welche nicht durch die diesem Jahre angehörigen,
sondern durch Mittel des vorhergehenden oder des nachfol-
genden Jahres gedeckt werden, sind nach anerkanntem Rechte,
vorbehaltlich der von Jahr zu Jahr übertragbaren Fonds,
ausseretatmässige Ausgaben.
Es ist auch zunächst vollkommen gleichgültig, ob die
Abweichungen auf Zufall beruhn oder in Ausführung von Ge-