Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Zweiter Band. (2)

58 Das Reich und der preussische Staat. 
nicht ausgenommen ! — zugleich der Träger der kaiserlichen 
Gewalt im Reiche ist. Damit ist an oberster Stelle die orga- 
nisch-verfassungsmässige Sicherstellung gewährt, dass der 
König von Preussen eine wesentlich andere Politik als der 
deutsche Kaiser nicht verfolgen kann. Aber es ist das be- 
schränkt auf oberste Entscheidungen, die latente Reibungen 
und Widersprüche nicht ausschliessen, und es verbürgt nich: 
in Zweifelsfällen die überragende und ausschlaggebende Be- 
deutung des Reiches. 
Es besteht der andere, in früherer Erörterung als ver- 
fassungsmässig nachgewiesene Satz, dass der Reichskanzler 
zugleich preussischer Bevollmächtigter im Bundesrathe sein 
muss. Seine Stellung ist im Gebiete der konstitutionellen 
Verantwortlichkeit das Gegenbild zu der Personalunion des 
deutschen Kaisers mit dem König von Preussen im Grebiete 
monarchischer Unverantwortlichkeit. Aber auch diese Stellung 
des Reichskanzlers ist nach den Bestimmungen der Verfassung 
nur von beschränkter Wirksamkeit. 
Es ist eine isolirte Stellung. Denn nur allein der Reichs- 
kanzler — den Fall seiner allgemeinen Stellvertretung selbst- 
verständlich eingeschlossen — ist nothwendig Mitglied des 
Bundesrathes. Im Uebrigen ist die Besetzung der preussischen 
Stimmen mit Bevollmächtigten rein preussische Angelegenheit, 
die unter der Verantwortlichkeit des preussischen Staats- 
ministeriums steht. Nicht einmal die Verbindung der besondern 
Stellvertreter des Reichskanzlers mit dem Bundesrathe hat 
eine reichsgesetzliche Sicherstellung erfahren. 
Vor allen Dingen erzielt die organische Verbindung des 
Amtes des Reichskanzlers mit der preussischen Vollmacht nur 
eine negative Wirkung. Sie konstituirt eintretenden Falles 
einen Konflikt der Pflichten und die Nothwendigkeit seiner 
Lösung. 
Auch die preussische Vollmacht des Reichskanzlers unter- 
ı S. die berechtigten Zweifel und die Literatur bei G. Meyer, 
Lehrbuch des deutschen Staatsrechts pag. 208.
	        
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