78 Das Verordnungsrecht des Kaisers und des Bundesrathes.
verkündet werden sollen. Sie befasst darunter selbst reine
Vollzugsverordnungen. Und wenn es auch nicht bezweifelt
werden kann, dass überall da, wo die vollziehende Gewalt
des Reiches sich zu einer unmittelbaren und eigenen Ver-
waltung durch kaiserliche Behörden und Beamte ausgestaltet
hat, die Kraft der blossen Insinuation rechtsgültiger Ver-
fügungen und allgemeiner Dienstvorschriften, die der Kaiser
oder unter kaiserlicher Autorität die vorgesetzten Behörden
erlassen, nicht gebrochen werden sollte und konnte, so be-
wirkt doch der strikte Wortlaut der Verordnung im Zusammen-
halte mit den Bestimmungen der Verfassung, dass eine un-
mittelbar rechtsverbindliche Kraft irgend welcher Verordnung
oder Verfügung des Kaisers über den zu beamtenmässigem
Gehorsam verpflichteten Kreis hinaus und im Mangel ander-
weitiger, ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung, niemals an-
ders begründet werden kann, als durch kaiserliche Verkün-
digung mittels des Reichsgesetzblattes.
Nach dieser Anordnung ist denn auch grundsätzlich und
regelmässig verfahren worden.
Allein auch in den Verkündigungsformen haben Schwan-
kungen stattgefunden. In einzelnen Fällen sind Verordnungen
des Präsidiums und Kaisers, die als solche durch die Gegen-
zeichnung des Kanzlers Rechtsgültigkeit empfingen, im Reichs-
gesetzblatte nicht publizirt worden. So die Militärersatz-
instruktion für den norddeutschen Bund vom 26. März 1868
und die deutsche Wehrordnung vom 28. September 1875. Sie
haben um dieses Mangels willen Rechtsverbindlichkeit nur
mittels zutreffender partikularer Verkündigungsformen erhalten
können; sie haben das kaiserliche Verordnungsrecht von einem
unmittelbaren zu einem nur mittelbaren herabgesetzt. Und
sie haben sich für dieses Verfahren nicht etwa stützen können
auf die Vorschriften der Artikel 61 und 63 der Verfassung,
denn diese setzen zur Anwendbarkait ihrer Verkündigungs-
formen preussische Verordnungen voraus, denen Rechts-
verbindlichkeit für das übrige Bundesgebiet verschafft werden
soll. In einer andern, nicht minder anomalen Wendung hat