82 Das Verordnungsrecht des Kaisers und des Bundesrathes.
Die Befugniss zum Erlass dieser gesetzvertretenden Ver-
ordnungen lässt sich unmittelbar und ohne Weiteres aus den
Bestimmungen der Verfassung nicht ableiten, obgleich der
Bundesrath sich darauf bezogen hat. Daraus, dass nach den
Artikeln 42, 43, 44 die Bundesregierungen und Eisenbahn-
verwaltungen zu bestimmten Verwaltungsmassregeln verpflichtet
sind, daraus, dass übereinstimmende Betriebseinrichtungen ge-
troffen und gleiche Bahnpolizeireglements eingeführt werden
sollen, folgt schlechterdings nicht das Recht irgend wessen
und des Bundesrathes insbesondere, im Wege der Verordnung
die im Artikel 4 der Verfassung vorgesehene Gesetzgebung
über das Eisenbahnwesen zu ersetzen oder zu ergänzen.! Eine
Rechfertigung lässt sich nur aus der besonderen Natur des
mittelbaren Verordnungsrechtes versuchen.
Allerdings und selbstverständlich — auch das mittelbare
Verordnungsrecht setzt, wie eine zutreffiende Kompetenz des
Reiches überhaupt und des erlassenden Organes, hier des
Bundesrathes insbesondere, so auch an erster Stelle, falls es
sich um Vertretung des Gesetzes handelt, die gesetzliche Er-
mächtigung zum Wege der Verordnung, anstatt dem des Ge-
setzes, voraus. Aber darum, weil die Rechtsverbindlichkeit
dieser Verordnungen nur durch die partikularrechtliche Ver-
kündigung bewirkt wird, mag die Frage erhoben werden, ob
der Mangel einer reichsgesetzlichen Autorisation zum Wege
der Verordnung nicht dadurch ersetzt wird, dass nach der
übereinstimmenden Lage der Partikularverfassungen die in
Frage stehende Bestimmung als partikularrechtliche Verord-
nung rechtsgültig erlassen werden kann, und dass demgemäss
der Beschluss des Bundesrathes sich materiell nur auf den
Erlass dieser partikularrechtlich zulässigen Verordnung zu
richten braucht. Hier würde die Kompetenz des Bundesrathes
und damit die Rechtsgültigkeit seines Beschlusses von dem
Partikularrecht der Einzelstaaten erborgt sein.
Die erhobene Frage ist in der Regel und im Zweifel zu
18. Laband, Staatsrecht II pag. 89. 363 ff. 372 ff.